Erntedank statt Ernte-Narrheit

Predigt über Lukas 12,16‑21 zum Erntedankfest

Liebe Erntedank-Gemeinde!

Wie der reiche Mann in der biblischen Geschichte haben wir eine gute Ernte ein­gefahren. Einige von uns haben in ihren Gärten Obst, Gemüse oder Blumen geerntet; einiges davon ist hier im Altarraum gelandet. Auch dieses Jahr führen uns die Erntedank­gaben in der Kirche vor Augen, dass Gott uns mit reicher Ernte gesegnet hat. Die Vielfalt und Buntheit der Gaben macht uns bewusst, dass unsere Ernte vielfältig ist: Nicht unbedingt Getreide haben wir geerntet wie der Landwirt in der biblischen Geschichte, auch nicht nur Kartoffeln, Karotten, Äpfel, Kürbisse oder Pilze im Wald. Sondern was wir im Geschäft oder auf dem Markt kaufen, das ist mittelbar auch unsere Ernte, das haben andere für uns geschnitten und gepflückt. Dass wir jeden Tag so viel essen können, bis wir satt sind, das gehört auch zu unserem Erntesegen. Dass wir heute früh eine Auswahl hatten vor Kleider­schrank und Schuhregal, ist ebenfalls Ernte im weiteren Sinne. Dass wir, wenn die Tage nun kälter werden, noch zusätzliche warme Kleidungs­stücke besitzen und dass wir unsere Wohnungen heizen können, auch dass wir uns nachts warm zudecken können, ist Gottes Gabe. Dass wir Monat für Monat verlässlich einen gewissen Geldbetrag auf unser Konto überwiesen bekommen, das haben wir Gottes Segen zu verdanken – auch dann, wenn wir meinen, dieser Betrag sei knapp bemessen, und auch dann, wenn wir bedenken, dass andere viel mehr bekommen. Ja, vielfältig bunt, groß und reich ist unsere Ernte, darüber freuen wir uns von Herzen.

Nun sind wir hier versammelt, um Gott für diese Ernte zu danken. Wir wollen das richtig machen – also so, wie es Gott gefällt. Ja, wie gefällt es ihm denn? Da stecken wir unsere Nase in die Bibel und lesen von dem Mann, an dem wir sehen können, wie es Gott nicht gefällt. Das ist eben jener Landwirt, dessen Feld reich getragen hatte, jener reiche Kornbauer aus dem Gleichnis Jesu. Dieser Mann ist ein Idiot, ein „Narr“, wie Gott selbst ihn nennt. Ein Idiot oder Narr ist jemand, der nicht vernünftig leben kann. Lernen wir also von diesem närrischen reichen Kornbauern, wie man's nicht machen soll – lernen wir, vernünftig Erntedank zu feiern, nämlich so, wie es Gott gefällt.

Am Schluss der Geschichte sagt Jesus: „So geht es dem, der sich Schätze sammelt und ist nicht reich bei Gott.“ Aha, das war also der Fehler des Mannes: Er war nicht reich bei Gott. Er war ein armer reicher Mann – reich an Erntegaben, aber arm bei Gott. Um richtig Erntedank zu feiern, muss man also reich sein bei Gott. Aber was heißt das: reich sein bei Gott? Was hat der arme reiche Mann falsch gemacht, dass er nicht reich war bei Gott?

War es sein Fehler, dass er reich war? Es gibt ja Aussagen in der Bibel, da kommen die Reichen schlecht weg. „Weh euch Reichen!“ hat Jesus einmal gesagt (Lukas 6,24). Aber wenn man die Bibel genauer studiert zum Thema Reichtum, dann merkt man: Nicht das Reichsein an sich ist schlecht, sondern wenn jemand sich auf Kosten anderer reich gemacht hat, oder wenn jemand geizig ist und seinen Reichtum vergöttert, oder wenn jemand seinen Reichtum mit übertriebenem Luxus verprasst, mit „Fressen und Saufen“. Ehrlich erworbener Reichtum gilt in der Bibel stets als Segen Gottes; zugleich ver­pflichtet er den Besitzer allerdings zu verant­wortlichem Gebrauch.

War es der Fehler des reichen Kornbauern, dass er größere Scheunen gebaut hat für seinen Erntesegen? Gewiss war auch das kein Fehler, im Gegenteil! Hätte er denn das viele Korn im Freien verrotten lassen sollen? Das wäre ja so wie bei den Milch­bauern, von denen neulich in der Zeitung stand, dass sie die gute Milch wegen schlechter Preise auf ihren Feldern vespritzt haben. Nein, Gott möchte, dass wir mit seinen Erntegabe sorgsam umgehen und nichts leichtfertig umkommen lassen. Josef in Ägypten hatte einst nichts anderes gemacht: Er hat überall neue Scheunen bauen lassen für den Ernte­überschuss der sieben fetten Jahre. Er hat damit weise und fromm gehandelt.

Was also war der Feher des armen reichen Mannes? Der Fehler zeigt sich gleich nach dem Entschluss zum Scheunenbau. Da sagt sich dieser Landwirt nämlich: „Ich will sagen zu meiner Seele: Liebe Seele, du hast einen großen Vorrat für viele Jahre; habe nun Ruhe, iss, trink und habe guten Mut!“ Sein erster Fehler ist, dass er nicht mit Gott spricht, sondern nur mit sich selbst, mit seiner eigenen „Seele“. Er hätte zuerst Gott danken sollen für die reiche Ernte, denn ohne Gottes Segen hätte er kein einziges müdes Hälmchen geerntet, auch bei allem Fleiß und aller Bauern­schläue nicht. Er hätte zuerst Erntedank feiern sollen! Zuerst Gott die Ehre – so handelt ein kluger Mensch. Wenn die Israeliten in alter Zeit Ernte­dankfest gefeiert haben, dann haben sie Erstlings­gaben in den Tempel gebracht, die ersten guten Früchte von ihrer Ernte, und haben damit gezeigt: Zuerst Gott die Ehre, denn ihm haben wir alles zu verdanken!

Seien wir also keine Idioten, liebe Gemeinde, wie dieser arme reiche Narr! Lasst uns bei allem Erntesegen und allen guten Gaben zuerst immer Gott danken! Wenn du morgens erwachst und Gott dir einen weiteren Tag deines Lebens schenkt, dankst du ihm dann dafür? Wenn du dich dreimal täglich sättigst, sprichst du dann immer ein Dankgebet bei Tisch, wie es die vernünf­tigen Leute schon seit tausenden von Jahren machen? Denkst du daran, dass du ohne Gott keinen Cent besitzen würdest, und dankst du ihm dafür? Bringst du ihm Dankopfer? Kommst du an Gottes heiligem Tag, dem Sonntag, stets gern in sein Haus, um ihm in der Gemeinde zu danken und ihn zu loben – nicht nur am Ernte­dankfest und zu Weih­nachten? Seien wir reich bei Gott, auch bei unserer Zeit­einteilung und bei unserem Opfern!

Der zweiter Fehler des Reichen war es, dass er nicht an andere Menschen gedacht hat, sondern nur an sich selbst. Es ging ihm allein darum, dass sein eigener Wohlstand abgesichert war durch die gute Ernte. Kein Gedanke an seine Frau, kein Gedanke an seine Kinder. Kein Gedanke an seine alten Eltern, denen er nach den damaligen sozialen Regeln eine angemessene Rente zu zahlen hatte. Kein Gedanke an die Arbeiter, die sich abge­schuftet haben, um seine Rekordernte unter Dach und Fach zu bringen; über eine Extra-Prämie hätten sie sich gewiss gefreut. Kein Gedanke an die vielen Armen und Erwerbs­unfähigen, die er an seinem Erntesegen teilhaben lassen könnte. Nein, dieser Narr denkt nur an sich selbst, an seine eigene Seele; er ist ein richtiger Egoist.

Seien wir also keine Egoisten, liebe Gemeinde, und denken wir, nachdem wir Gott gedankt haben, an unsere Mitmenschen. Wenn wir das versäumten, dann wären wir Idioten im wahrsten Sinne des Wortes. Ein Idiot ist nämlich jemand, der nur um sich selbst kreist. Idiotisch gehandelt haben jene Finanz­jongleure, die meinten, sie dürften große Gewinn­ströme, die andere erwirt­schaftet hatten, auf ihre eigenen Konten fließen lassen; dadurch ist es zur Welt­wirtschafts­krise gekommen. Idiotisch ist, wer meint, für andere Menschen oder auch für seine Kirche nichts mehr übrig zu haben. Idiotisch ist, wer schwarz arbeitet und dem Staat Steuern vorenthält, denn dieses Geld stiehlt er der Allgemein­heit und damit auch denjenigen armen Menschen, die auf staatliche Hilfe angewiesen sind. Idiotisch ist, wer alle Spenden­aufrufe für die Armen der Welt mit kaltem Herzen an sich abprallen lässt.

Wenn Menschen nicht abgeben wollen, dann hat das oftmals den Grund, dass sie Angst haben, es würde für sie selbst nicht reichen. Sie haben Angst, in Zukunft arm dazustehen. So denkt auch der arme reiche Mann in dem Gleichnis. Er ist besorgt darum, seine eigene Zukunft ab­zusichern. Er sagt zu sich selbst: „Du hast einen großen Vorrat für viele Jahre; habe nun Ruhe, iss, trink und habe guten Mut!“ Das ist sein dritter Fehler: dass er sich einbildet, er könne seine Zukunft absichern. Noch am Abend nach dem Selbst­gespräch führt Gott ihm diesen Fehler über­deutlich vor Augen: Er lässt ihn sterben. Also nichts da mit einem guten Leben für viele Jahre! Nichts da mit einer abge­sicherten Zukunft! Aller Erntesegen und aller Reichtum hilft diesem Man nun nicht mehr; die Erben werden darüber herfallen. Jetzt würde nur noch helfen, dass er reich ist bei Gott. Jetzt würde nur noch helfen, dass Gott ihn im Jüngsten Gericht frei­spricht, damit er selig werden kann. Jetzt können ihm keine irdischen Güter mehr helfen, sondern nur noch die unver­gänglichen Heilsgüter. Aber gerade die fehlen ihm, dem armen reichen Narren! Der Mann hat also zeitliche und ewige Güter in ihrer Wichtigkeit ver­wechselt, das war sein dritter und schwerster Fehler.

Seien wir keine solche Narren! Wir wollen uns von ganzem Herzen über den Erntesegen freuen und Gott reichlich dafür danken, aber wir wollen uns nicht einbilden, dass wir damit unsere Zukunft absichern können. Das ist ja ein weit ver­breiteter Irrtum: dass die Zukunft so eine Art Knetmasse sei, die wir uns, wenn wir's nur geschickt anstellen, zu unserem eigenen Wohl formen und gestalten können. Unsere Zukunft liegt vollständig in Gottes Hand. Zudem werden wir den weitaus größten und damit wichtigsten Teil unserer Zukunft nicht in dieser Welt hier zubringen, sondern in der Ewigkeit. Erntegaben sind gut, aber ver­derblich. Sie sind tägliches Brot, Lebens­mittel für jetzt, für heute und morgen. Niemand meine, er könne sich mit ihnen seine Zukunft absichern. Die Reichen unserer Tage haben es schon zu spüren bekommen, dass die Zahlen auf ihren Bankkonten plötzlich unerwartet klein geworden sind. Es kann sein, dass bald noch viel mehr Menschen feststellen müssen: Unsere Renten und Spar­vermögen sind plötzlich kaum noch etwas wert. Gott kann uns durch Krankheit und Schicksals­schläge darauf aufmerksam machen, wie wenig unser materieller Reichtum eigentlich nützt. Gott kann uns auch jederzeit aus diesem Leben abrufen. Christus kann jederzeit wieder­kommen, dann ist es aus mit der ganzen Welt. Egal was geschieht: Machen wir nicht den Fehler des armen reichen Mannes, verwechseln wir nicht zeitliche und ewige Güter! Trachten wir zuerst nach Gottes Reich, wie Jesus es uns aufträgt (Matth. 6,33)! Denken wir nicht, unser Broterwerb sei wichtiger als das Lebensbrot Jesus Christus! Machen wir nicht den Sonntag zum Alltag! Vergessen wir nicht beim Reden mit anderen Menschen das Reden mit Gott!

Herrlich sind sie anzusehen, die Erntegaben im Altarraum. Sie sind so bunt und vielfältig wie der Erntesegen, den Gott einem jeden von schenkt. Aber sie bleiben nicht so, sie sind ver­gänglich. Wenn sie nicht verzehrt werden, dann faulen sie, werden stinkig und unan­sehnlich. So ist das mit allen zeitlichen Gütern. Lasst uns darum bei aller Freude und allem Dank gern von ihnen abgeben und vor allem nicht unsere Herzen daran hängen. Seien wir keine Narren, die sich einbilden, dass die Zukunft von solchen ver­gänglichen Gaben abhängt. Seien wir vor allem reich bei Gott und trachten zuerst nach den unver­gänglichen Heilsgütern des Himmel­reichs! Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2009.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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