Entkräftung zweier Vorurteile über die Buße

Predigt über Lukas 15,1‑10 zum 3. Sonntag nach Trinitatis

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Über die Buße gibt es zwei hart­näckige Vorurteile. Am liebsten würde ich einen schweren Hammer nehmen und diese beiden Vorurteile zer­trümmern, wenn das möglich wäre. Aber mit einem Hammer geht das nicht, es geht nur mit Worten, vorzugs­weise mit Gottes Wort. Darum möchte ich jetzt mit den eben gehörten Geschich­ten zum Thema Buße die beiden Vorurteile zer­schmettern. Aber zunächst einmal will ich die beiden Vorurteile nennen. Erstes Vorurteil: Buße ist etwas, was der Mensch tut. Zweites Vorurteil: Buße ist etwas Trauriges.

Also zunächst zum ersten Vorurteil: Ist Buße wirklich etwas, was der Mensch tut? Viele denken so. Sie denken, bei der Buße muss man ein trauriges Gesicht machen und so lange über seine Sünden nachdenken, bis einem die Tränen kommen. Man muss dann zur Beichte gehen und Gott um Vergebung bitten. Schließ­lich muss man auch versuchen, das wieder­gutzumachen, was man verbockt hat. In dem Wort „Geldbuße“ schwingt das mit: Man muss Strafe zahlen zur Sühnung der bösen Tat.

Schauen wir uns nun die beiden Gleichnisse an, das Gleichnis vom verlorenen Schaf und das Gleichnis vom verlorenen Groschen. Was hat das Schaf getan, um zur Herde zurück­zukommen? Nichts! Und was hat der Groschen getan, um gefunden zu werden? Nichts! Es lässt sich beim besten Willen keine Handlungs­anweisung für Sünder aus diesen Geschichten ableiten, in dem Sinne von: Um zu Gott zurück­zufinden, musst du dies und das und das tun. Wenn jemand die Handlungs­anweisung geben würde: „Sei brav!“, dann könnte man mit dem ersten Gleichnis sofort kontern und sagen: Aber Gott freut sich doch viel mehr über einen einzigen Sünder als über 99 Brave! Sollte man also besser die Handlungs­anweisung geben: „Sei böse!“, damit Gott einen irgendwann findet und sich dann besonders freut? Das kann's doch wohl auch nicht sein. Man könnte höchstens sagen: „Sei ehrlich!“ – mach dir über deinen mo­ralischen Zustand keine Illusionen!

Nein, Buße ist nichts, was der Mensch tut, sondern Buße ist etwas, was Gott mit dem Menschen tut. Wenn Gott einen verlorenen Menschen findet, dann ist das Buße. Wenn der Hirte sich auf die beschwer­liche Suche nach dem verlorenen Schaf macht, bis er es findet, dann ist es des Hirten Werk, dass das Schaf umkehrt und zur Herde zurück­kommt. Das Schaf muss nicht einmal selbst laufen, der Hirte nimmt es vor Freude auf die Schultern! Oder Gott gleicht einer Frau, die eine kostbare Münze im Haus verloren hat. Sie zündet ein Licht an, um auch in die finstersten Ecken zu leuchten – so hat Gott für uns die Lampe seines Wortes angezündet. Sie fegt mit einem Besen durch Staub und Dreck und hofft, dabei das Klimpern der Münze zu hören – so fegt Gottes Geist durch das Leben eines Sünders und wirbelt dabei manchen Staub auf. All das tut Gott, um die Münze schließ­lich wieder in sein Schatz­kästchen tun zu können. Wir sehen: Buße ist ganz allein Gottes Werk an uns Menschen, sie ist nicht unser Tun. Auch der Apostel Paulus wusste das ganz genau. Erinnert ihr euch, wie er in der heutigen Epistel seine Bekehrung beschrieben hat? Er schrieb: „Früher hatte ich ihn beleidigt, verfolgt und verhöhnt. Aber er hat mit mir Erbarmen gehabt… Er, unser Herr, hat mir seine Gnade im Überfluss geschenkt…“

Keine Moral, keine Handlungs­anweisung finden wir in den beiden Gleichnissen. Sie sind das pure Evangelium! Sie sagen uns: Gott sucht dich und Gott findet dich auch, verlass dich drauf! Habe Vertrauen, er wird die ent­scheidende Wende in deinem Leben herbei­führen, die dich für immer selig macht. Der christliche Glaube ist nichts anderes als solches Vertrauen. Und wenn dich Gott gefunden hat, dann bilde dir nichts auf deine Bekeh­rung ein, sondern danke Gott: Buße ist ja nicht dein Werk, sondern sein Werk. Und dann schenkt er dir auch Früchte der Buße, die du zwar tust, die aber ebenfalls von ihm ausgehen: Vielleicht Tränen der Reue, vielleicht auch Werke der Wieder­gutmachung, vor allem aber ganz viel Lob und Ehre!

So, das erste Vorurteil wäre zer­trümmert: Buße ist nichts, was der Mensch tut, sondern sie ist Gottes Werk. Nun geht es an das zweite Vorurteil: Ist Buße etwas Trauriges? Von Tränen war ja schon die Rede und vom Bußgeld auch, das sind nicht gerade fröhliche Dinge. Aber auch dieses Vorurteil zer­trümmern die beiden Gleichnisse, die Jesus erzählt hat, mit mächtigen Hieben. Viermal taucht das Wort „Freude“ auf, und in beiden Gleich­nissen gipfelt die Pointe im Wort „Freude“: „So wird Freude im Himmel sein über einen Sünder, der Buße tut, mehr als über neun­und­neunzig Gerechte, die der Buße nicht bedürfen.“ Und wieder: „So, sage ich euch, wird Freude sein vor den Engeln Gottes über einen Sünder, der Buße tut.“ Jeder zurück­gewonnene Sünder ist dem Himmel ein Freuden­fest wert! Nur lassen wir Menschen uns leider oftmals nicht von diesem Freuden­fest anstecken und halten Buße für etwas Trauriges.

Vor hundert Jahren gab es in der lutheri­schen Kirche noch die öffentliche Buße. Meistens wurde sie immer dann praktiziert, wenn eine junge Frau schwanger wurde, ohne ver­heiratet zu sein. Über diese etwas ein­seitige Sicht der Sünde rümpft man heute die Nase; aber wenigstens wussten alle Menschen damals noch ganz genau, dass vor­ehelicher Geschlechts­verkehr Sünde ist. Und weil die Folgen eben dieser Sünde öffentlich sichtbar wurden, so verlangte diese Sünde nach einer öffentlichen Buße. Im Gottesdienst wurden der jungen Frau die Sünden feierlich vergeben. Und dann? Dann feierten die Engel im Himmel ein Freuden­fest! Und auf Erden? Und in der Kirche? Wurde da auch ein Freuden­fest gefeiert? Wurden da Torten gebacken und Wein­flaschen entkorkt, um bei dieser öffent­lichen Buße dann auch ein herrliches Buß-Freuden­fest zu feiern wie im Himmel? Nichts da! Die öffentliche Buße war eher eine traurige und vor allem äußerst peinliche Angelegen­heit, sie glich einem Spießruten­laufen. Darum hat man sie dann auch abgeschafft.

Nun fordere ich nicht, dass man diese öffentliche Buße wieder einführen soll. Aber wir sollten auf alle Fälle beherzigen, dass Buße etwas Fröh­liches ist. Nehmen wir mal an, dein Mitchrist hat dir irgendetwas Hässliches gesagt, und diese Worte haben sich wie ein Stachel in dein Herz gebohrt. Nehmen wir weiter an, du bist mit ihm im Gottesdienst, und die Beichte wird gehalten. Da kniet dein Mitchrist vor dem Altar, bekennt seine Sünden und bittet Gott um Vergebung. Gott schenkt ihm die Umkehr, Gott vergibt ihm. Spätestens dann sollte in deinem Herzen nichts mehr von dem Stachel der hässlichen Worte übrig sein. Im Himmel feiern die Engel ein Freuden­fest über die Buße, solltest du da nachtragend sein und dich weiter ärgern über deinen Mitchristen? Keineswegs! Vergeben ist vergeben. Wo Gott einen Menschen zur Buße bewegt, da dürfen wir ihm seine Sünden im Herzen nicht behalten.

Wenn wir uns das klar machen, liebe Gemeinde, dann können wir herrlich und in Freuden leben. Denn all die Fehler und Bosheiten der Vergangen­heit belasten uns nicht mehr; wir sind ja alle heim­geholte verlorene Schafe und gefundene Sünder. Wer wollte da im Blick auf seinen Mitchristen noch nachtragend sein? Buße ist etwas Herrliches, etwas Befreiendes, etwas Fröhliches!

Wie gut, dass wir immer wieder Anlass zu solchen Freuden­festen haben. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2009.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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