Ein neues Jahr und ein neues Leben

Predigt über Lukas 2,21 zum Neujahrstag

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Man muss das neue Jahr nicht mit Feuerwerk, Pfannkuchen und Sekt begrüßen. Man braucht auch gar nicht wach zu bleiben zum Jahreswechsel. Es wäre nicht einmal nötig, den Neujahrstag mit einem Gottesdienst zu beginnen. Denn es ist heute früh um 0 Uhr gar nichts Besonderes geschehen, es hat sich nichts geändert außer der Jahreszahl im Datum. Dass man ein neues Jahr am 1. Januar beginnt, ist eine völlig willkürliche Festsetzung; sie hat sich allerdings weltweit durchgesetzt. Zu Luthers Zeiten war das noch anders, da hat man zu Weihnachten ein neues Jahr zu zählen begonnen, und zu Cäsars Zeiten am 1. März (daher kommen unsere Monatsnamen von September bis Dezember, denn September heißt einfach „siebter Monat“, Oktober „achter Monat“, November „neunter Monat“ und Dezember „zehnter Monat“). Auch heute noch kennt man alternative Jahresanfänge: Das neue Kirchenjahr beginnt am 1. Advent, das neue Schuljahr nach den Sommerferien und das neue Lebensjahr am Geburtstag jedes einzelnen Menschen. Der Jahreskreis ist rund, er hat von sich aus keinen Anfang und kein Ende. Der 1. Januar als Jahresanfang ist ebenso willkürlich festgesetzt, wie ich festsetzen könnte, dass Fürstenwalde der Mittelpunkt der kugelrunden Erdoberfläche ist.

Nun hat der 1. Januar als kirchlicher Feiertag aber über den Neujahrstag hinaus noch eine andere Bedeutung, und die ist älter und viel wichtiger: Es ist der Tag der Beschneidung und Namensgebung des Herrn Jesus Christus. Am achten Tag nach seiner Geburt wurde Jesus wie alle jüdischen Knaben feierlich beschnitten, und bei dieser Gelegenheit gaben die Eltern seinen Namen bekannt: Er soll Jesus heißen. Weil der 1. Januar der achte Tag nach Weihnachten ist, darum wird an diesem Tag schon seit alters der Beschneidung und Namensgebung unseres Herrn Jesus Christus gedacht.

Was hat es mit der jüdischen Sitte der Beschneidung auf sich? Da müssen wir weit zurückgehen, bis hin zu Abraham. Wir erinnern uns: Mit Abraham hat Gottes besondere Geschichte mit dem Volk Israel angefangen; Abraham war einer der Stammväter dieses Volks. Darum stiftete Gott bereits dem Abraham das Zeichen der Beschneidung. Es war ein Gebot, ein Gesetz: Bei allen männlichen Nachkommen sollte am achten Tag nach der Geburt ein Stück von der Vorhaut abgeschnitten werden. Dieses Zeichen ist etwas ganz anderes als die islamische Beschneidung; die wird nämlich irgendwann später im Kindesalter vorgenommen. Dieses Zeichen ist auch etwas ganz anderes als die afrikanischen Beschneidungsrituale, bei denen junge Mädchen oft grausam gequält werden. Die Beschneidung, die Gott Abraham und seinen Nachkommen auftrug, ist ein Zeichen der Zugehörigkeit. Sie sagt: Dieser Mann gehört zu Gottes auserwähltem Volk, zu Israel. Natürlich galten auch die Frauen als zugehörig, nämlich über ihre beschnittenen Väter und Ehemänner.

Jesus wurde also wie alle jüdischen Jungen am achten Tag beschnitten. Das ist ein weiterer Beleg dafür, dass er sich vollständig dem göttlichen Gesetz unterworfen hat in seinem Menschsein. Wiewohl er als Gottes Sohn von Ewigkeit her zum himmlischen Vater gehört wie kein anderer, wurde er nach dem Gesetz beschnitten und in Gottes Volk hineingenommen. Auch dies hat er für uns getan, auch so hat er alle Gerechtigkeit für uns erfüllt.

Liebe Gemeinde, durch Christus gehören auch wir zu Gottes Volk. Wir können sogar sagen: Durch Christus sind auch wir beschnitten. Es geht dabei freilich nicht um eine „mit Händen“ vorgenommene äußere Beschneidung; es geht nicht um eine „chirurgische“ Beschneidung (das griechische Fremdwort für „handgemacht“ trifft hier in doppelter Hinsicht zu). Im Kolosserbrief steht: „Ihr seid beschnitten worden mit einer Beschneidung, die nicht mit Händen geschieht, als ihr nämlich euer fleischliches Wesen ablegtet in der Beschneidung durch Christus“ (Kol. 2,11). Die „Beschneidung durch Christus“ – damit ist unsere Taufe gemeint. Mit der Taufe sind wir über den beschnittenen Jesus Christus hineingenommen worden in Gottes Volk – nicht in das natürliche Gottesvolk des alten Bundes, sondern in das geistliche Gottesvolk des neuen Bundes. Mit der Taufe sind wir gewissermaßen geborene Staatsbürger der Himmelreichs geworden, neu geboren aus Wasser und Geist. Mit der Taufe hat ein Leben angefangen, das vom leiblichen Tod nicht zerstört werden kann: das ewige Leben. Und das alles, weil wir mit und durch Jesus Christus beschnitten sind, weil wir mit ihm und durch ihn zu Gottes Volk gehören. Seht, anders als beim Neujahr hat mit der geistlichen Beschneidung der Taufe wirklich etwas Neues angefangen, es war ein echter Einschnitt, eine echte Veränderung, ein Neubeginn, die Wiedergeburt zu einem neuen Leben: Da hat Gott uns selig gemacht. Da hat Gott uns zugesichert: Du gehörst für immer und ewig zu mir. Das gilt felsenfest und unauflöslich. Nur wenn du den Glauben aufgäbest, wenn du wegliefest aus Gottes Reich, dann hättest du nichts mehr davon, dann müsstest du in der Finsternis und in der Fremde leben. Weil das so ist, kann es eigentlich auch nur einen guten Vorsatz für das neue Jahr geben, der über allen anderen Vorsätzen stehen muss: Herr Jesus Christus, lass mich an dir bleiben! Stärke mir den Glauben! Hilf, dass ich den Bund deiner Gnade nicht verlasse und auch nicht dein Volk, zu dem ich seit der Taufe gehöre!

Ich hatte eben schon erwähnt, dass die Eltern eines jüdischen Knaben am Tag der Beschneidung auch den Namen des Kindes öffentlich bekannt geben. Diese Sitte hat man lange Zeit auch bei der christlichen Taufe geübt. Da fragte der Pastor: „Wie soll dies Kindlein heißen?“, und dann nannte der Vater den Namen des Kindes, und dann taufte der Pastor das Kind mit diesem Namen. Aus dieser Sitte hat sich das Wort „Taufe“ ganz allgemein für eine Namensgebungszeromie durchgesetzt, sogar bei einer Schiffstaufe, wiewohl der Schwerpunkt der Taufe ja eigentlich ganz woanders liegt, nämlich beim Beginn des neuen Lebens im Reich Gottes.

Weil nun das jüdische Beschneidungsfest zugleich ein Fest der Namensgebung ist, erhielt der erstgeborene Sohn der Maria acht Tage nach seiner Geburt den Namen „Jesus“. Normalerweise suchen Eltern die Namen ihrer Kinder selbst aus. In alttestamentlicher Zeit hat man Namen oft nach bestimmten Ereignissen ausgesucht, die in Verbindung mit der Geburt standen. So hieß ein Mann „Perez“, auf deutsch „Riss“, weil er geboren wurde, als Gott beim Turmbau zu Babel die Sprachen verwirrte. Später gab man gern die Namen von Vorfahren, auch in Deutschland. Bei den Indianern war es so, dass die Kinder erst als Jugendliche ihre Namen erhielten und diese Namen etwas von ihren Eigenschaften aussagten; da konnte zum Beispiel ein guter Läufer „fliegender Hirsch“ genannt werden. Heute suchen Eltern die Namen ihrer Kinder oft einfach nach dem guten Klang aus, oder weil jemand anders so heißt, den sie gut finden.

Bei Jesus hatte Gott selbst den Namen ausgesucht, sein himmlischer Vater also. Schon als Maria schwanger wurde, hatte der Engel ihr aufgetragen: „Du sollst ihm den Namen Jesus geben“ (Lukas 1,31). Danach richteten sich Maria und Josef; darum heißt es im heutigen Evangelium: „Man gab ihm den Namen Jesus, wie er genannt war von dem Engel, ehe er im Mutterleib empfangen war.“

Was hat es mit dem Namen Jesus auf sich? „Jesus“ ist vom aramäischen Namen „Jeschua“ abgeleitet und dem hebräischen Namen „Josua“. Die deutsche Bedeutung lautet: „Retter“, „Erlöser“, „Heiland“. Und da erkennen wir nun Gottes Absicht, warum er sich diesen Namen für seinen Sohn ausgesucht hat: Der Name ist Programm! Durch diesen Jesus will Gott die ganze Welt von ihrer Sünde retten. Es geht hier also nicht um den guten Klang, nicht um bestimmte persönliche Eigenschaften, nicht um die Namen von Vorfahren und auch nicht um bestimmte Ereignisse zum Zeitpunkt der Geburt, sondern es geht hier um den einzigartigen Auftrag dieses Kindes: Es ist geboren, um die Welt zu erretten, zu erlösen, zu heilen. Damit will Gott uns ganz gewiss machen in der Erkenntnis: Wenn du zu Jesus gehörst, bist du gerettet! Wenn du durch Jesus geistlich beschnitten bist – also getauft – ‚ dann bist du erlöst! Der Name Jesus ist Gottes Programm. Der Name Jesus ist Gottes gute Nachricht für die Welt, Gottes Evangelium. Der Name Jesus ist unser Trost, unsere Hoffnung, unsere Freude. An diesem Namen halten wir uns fest, mit diesem Namen beten wir ihn an: Jesus, mein Retter, mein Erlöser, mein Heiland, mein Seligmacher! So lasst uns im neuen Jahr weitergehen auf dem Weg des neuen Lebens, den er uns eröffnet hat, den Weg des ewigen Lebens. Lasst uns auch im neuen Jahr an ihm bleiben – an Jesus, unserm treuen Heiland. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2009.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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