Mach's nicht wie die Schnecke!

Predigt über Lukas 21,25‑33 zum 2. Advent

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Wohl jedes Kind hat das schon einmal beobachtet: Wenn man einer Schnecke gegen ihre Fühler stubbst, dann zieht sie die blitz­schnell ein. Meistens zieht sie dann auch noch ihren Kopf zurück und verkriecht sich ganz in ihr Schnecken­haus. Die blinde Schnecke meint nämlich, dass ihr da etwas Gefähr­liches begegnet, und aus Angst vor dieser Gefahr zieht sie sich in sich selbst zurück.

Ebenso machen es viele Menschen: Wenn sie Gefahr wittern und Angst bekommen, ziehen sie ihre Köpfe ein und verkriechen sich in sich selbst. Nun sind wir Menschen aber keine Schnecken. Was der Schöpfer der Schnecke als hilfreichen Instinkt auf den Lebensweg mitgegeben hat, das gilt nicht für uns Menschen. Darum ruft Jesus uns zu: „Seht auf und erhebt eure Häupter!“ Es ist, als wollte er uns damit sagen: Zieht nicht gleich eure Köpfe ein, wenn es ungemütlich wird! Lasst euch nicht von eurer Angst unter­kriegen! Seht auf, erhebt eure Häupter, seht nach vorn, blickt eurer Zukunft furchtlos ins Auge! Denn am Ende eurer Zukunft warten nicht Untergang und Verderben auf euch, sondern ich warte da auf euch, ich komme auf euch zu, euer Erlöser! „Seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht.“

Jesus hat das in einer langen Predigt gesagt, wo es um die Endzeit geht, also um die letzte Zeit vor dem Jüngsten Tag. Er hat schreck­liche Dinge voraus­gesagt, die in der Endzeit passieren werden: un­gewöhnliche Er­scheinungen am Himmel, Sturmwellen auf dem Meer, auch Kriege, Erdbeben und Hungers­nöte. Alles, was vorher Halt gab und stabil war in der Welt, das soll dann ins Wanken kommen. Und er hat voraus­gesagt, dass sich große Furcht unter den Menschen ausbreiten wird; sie werden angesichts solcher gewaltigen Ereignisse verzagen und ganz verstört sein.

Ja, auch die seuchen­artig um sich greifende Angst ist ein Zeichen der Endzeit. Jesus sagte: „Auf Erden wird den Völkern bange sein.“ Das erleben wir jetzt unter uns und an uns selbst: Zwar leben wir nicht im Krieg, zwar brauchen wir keine Hungersnot zu fürchten, zwar befinden wir uns nicht in einem Erdbeben-gefährdeten Gebiet, und doch greift überall seuchen­artig die Angst um sich. Viele haben Angst um ihren Arbeits­platz und ihre soziale Sicherheit. Andere ängstigen sich um ihre Gesundheit, fürchten den Krebs sowie andere lebens­bedrohende Krank­heiten. Wieder andere haben Angst vor Unfällen, wieder andere vor Terror­anschlägen, wieder andere vor gewissen­losen Politikern, deren Ent­scheidungen sie ausbaden müssen. Ich selbst habe Angst davor, dass die Kräfte ins Wanken gekommen sind, die unsere Gesell­schaft zusammen­halten, weil Gottes­furcht und Treue nicht mehr viel gelten in unserem Land, ebensowenig wie Gehorsam und Disziplin, ebensowenig wie Gemein­schafts­sinn und familiärer Zusammen­halt. Wenn ich die heutige Welt vergleiche mit der Welt, in der meine Großeltern groß geworden sind, muss ich fest­stellen, dass sehr viel ins Wanken gekommen ist; die Geschicke des 20. Jahr­hunderts haben nicht nur Deutsch­land, sondern die halbe Welt ins Wanken gebracht. Und da sind die meisten Menschen eben ver­unsichert, ängstigen sich über dies und das, auch wenn viele es nach außen hin nicht zeigen.

Dass die Weltzeit gegen Abend hin von angst­machenden Ereignissen und Zuständen geprägt sein wird und dass die Menschen dann auch wirklich immer mehr Angst haben werden, das hat Jesus un­missverständ­lich voraus­gesagt. Er hat damit eigentlich nichts Neues gesagt, denn auch die Propheten des Alten Testaments haben das schon an­gekündigt. Einige der Worte, die Jesus in seiner Predigt gebrauchte, sind sogar wörtliche Propheten-Zitate. Und auch dies war nichts Neues: All die schreck­lichen Endzeit-Ereignisse werden sich zuspitzen auf den einen großen Tag des Herrn, den einen schreck­lichen Tag, der auf Gottes Gericht über alle Menschen hinaus­läuft. Selbst dass Gottes Erlöser an diesem Tag sichtbar wieder­kommen wird, hat bereits der Prophet Daniel voraus­gesagt, und Jesus hat es in seiner Predigt fast wörtlich wiederholt: „Alsdann werden die Menschen sehen den Menschen­sohn kommen in einer Wolke mit großer Kraft und Herrlich­keit.“ Unmittelbar nach diesem Zitat fordert Jesus uns dann auf: „Wenn aber dieses anfängt zu geschehen, dann seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht.“

„Wenn das anfängt“, sagt Jesus, also dann bereits, wenn die be­ängstigenden Vorboten da sind, ehe der Jüngste Tag anbricht. Mit anderen Worten: jetzt, heute, wo uns bereits so viele Vorboten des Jüngsten Tages Angst machen. Jetzt, heute: Macht es nicht wie die Schnecke, zieht nicht ängstlich eure Köpfe ein, verkriecht euch nicht in euch selbst! Denn ihr wisst es ja besser. Ihr wisst, dass es alles so kommen muss, Gott hat die Endzeit der Welt so vorher­bestimmt. Wer all das Be­ängstigende und Schreck­liche in der Welt mit Gottes Wort vergleicht, dem drängt sich die Schluss­folgerung auf: Es dauert nicht mehr lange, dann ist Schluss mit dieser Welt und dann kommt Jesus wieder. Er kommt so sicher wie das Amen in der Kirche und wie der Sommer nach dem Winter. Wer sich mit der Pflanzen­welt in Palästina auskennt, der weiß: Wenn sich am Feigenbaum Knospen bilden, dann dauert es noch zwei bis drei Monate, und die kalte Jahreszeit ist vorbei. Jesus machte daraus ein Gleichnis für das Warten auf sein Wieder­kommen: „Seht den Feigenbaum und alle Bäume an: Wenn sie jetzt ausschlagen und ihr seht es, so wisst ihr selber, dass jetzt der Sommer nahe ist. So auch ihr: Wenn ihr seht, dass dies alles geschieht, so wisst, das das Reich Gottes nahe ist.“

Liebe Gemeinde, es ist also in der Tat so: Wenn uns viele Dinge um uns herum Angst machen, dann ist das ein Zeichen von Gott dafür, dass Jesus bald wieder­kommt. Wenn es dann soweit ist, wird das zwar auch unter er­schreckenden Umständen geschehen; alle, die ihn nicht kennen, werden dann vergehen vor Angst, weil sie merken: Hilfe, Jesus gibt es ja wirklich! Aber wir kennen ihn ja. Wir wissen ja, dass er unser lieber Heiland ist, der sich für uns aufgeopfert und uns erlöst hat. Wir wissen, dass er uns nicht im Stich lassen wird im Gericht, weil er selbst für unsere Sünde und unser Versagen gerade gestanden hat; wir brauchen keine Strafe mehr zu fürchten. Ja, wir dürfen uns auf den Jüngsten Tag freuen, weil an ihm unser Erlöser kommt – auch diese seine letzte Ankunft gehört zum Themenkreis der Advents­zeit. Und mit ihm kommt unsere endgültige Erlösung, die Vollendung unserer Erlösung, der Einzug in das gelobte Land der ewigen Seligkeit. Wer wollte vor dieser herrlichen Zukunft den Kopf einziehen? Darum macht's nicht wie die Schnecke. „Seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht.“

Also: Aufgeschaut und das Haupt erhoben! Aufgeschaut zum Herrn Jesus Christus, der zur Rechten des Vaters sitzt und die ganze Welt regiert; nichts entgleitet seiner Hand! Aufgeschaut zu unserem Erlöser, der wieder­kommen wird, um sein Erlösungs­werk an uns zu vollenden! Das Haupt erhoben! Trotz der Angst, trotz der unsicheren Zeiten und aller Schreck­nisse der Welt! Verkriechen wir uns nicht in unsere Arbeit, in unsere Sorge, in unsere Hobbies, in unsere Vorurteile! Stellen wir uns der Welt, in die Gott uns hinein­gestellt hat! Schauen wir uns um, schauen wir auch unsere Mitmenschen an! Widerstehen wir der Versuchung, uns aus Angst in unsere Schnecken­häuser zu ver­kriechen! Macht's nicht wie die Schnecke! Christus spricht: „Seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht.“ Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2008.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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