Der Meteor

Predigt über 1. Mose 18,20‑33 zum 23. Sonntag nach Trinitatis

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Schon nächste Woche könnte es in der Zeitung stehen;es wäre auch die Sensations­meldung in Radio und Fernsehen: Ein riesiger Meteor rast auf die Erde zu! Nur ein paar Tage noch, und er wird mit un­vorstell­barer Wucht auf unserem Planeten ein­schlagen. Es gibt keine Möglich­keit, ihn aufzuhalten oder abzulenken; es gibt kein Entrinnen. Experten simulieren mit Modell­rechnungen am Computer, was geschehen wird: Der Himmel wird schwarz werden, glühende Gesteins­brocken werden vom Himmel hageln. Die Zeitungen sagen Stürme voraus, wie man sie nie gekannt hat: Die Luftmassen, die der Meteor beiseite drücken wird, werden die Erd­oberfläche kahl fegen. Das Fernsehen zeigt Quer­schnitte des Erdballs als Trickfilm: Beim Aufprall des Meteors wird die gesamte Erdrinde zu schwingen anfangen wie ein Pudding; kein vergleich­bares Erdbeben hat es je gegeben. Überall werden Vulkane ausbrechen, glühende Lavamassen werden in die Luft ge­schleudert werden und alles Leben unter sich ersticken. Im Radio hört man, dass die Weltmeere in Wallung geraten werden, es werden sich Tsunamis auftürmen, die das Land noch hunderte von Kilometern hinter den Küsten überfluten. Dieser Einschlag wird alle bisherigen Natur­katastrophen weit über­treffen, und es ist sicher, dass er alles Leben auf der Erde mit einem Schlag auslöschen wird. So, wie einst Feuer vom Himmel die Städte Sodom und Gomorra dem Erdboden gleich gemacht hat.

Angenommen, es käme so – was würden wir tun? Wir würden bis ins Mark er­schrecken. Und wir Christen würden zitternd niederknien und beten. Wir würden zu Gott schreien, würden vielleicht auf ein Wunder hoffen, dass Gott dieses unfassbar Schreck­liche doch nicht geschehen lässt. Vielleicht würden wir in aller Demut an Gottes Gerechtig­keit apellieren, so wie Abraham es tat, damals, vor dem Untergang von Sodom und Gomorra. Wir würden sagen: Herr, sind denn die Menschen wirklich so schlecht, dass du sie derart hart strafen willst? Gewiss, wir sind keine Engel, aber hat die Welt dies wirklich verdient?

Gott könnte dann antworten: Ich habe es mir gut überlegt, und ich bin zu dem Schluss gekommen, dass die Welt diesen ver­nichtenden Schlag tatsächlich verdient hat. Die Menschheit des 21. Jahr­hunderts ist ja nicht besser als die Einwohner­schaft von Sodom und Gomorra. Die Menschen sind habgierig und bestehlen einander. Seht euch zum Beispiel die Leute an, die den ganzen Tag lang an der Börse zu speku­lieren. Schaffen die denn mit ihrer Arbeit etwas Gutes, das anderen nützt? Nein, im Gegenteil, sie jagen Werten hinterher, die andere erarbeitet haben, um sie auf ihr eigenes Konto verbuchen zu können. Genauso waren die Bewohner Sodoms darauf aus, die beiden Fremden, die abends in die Stadt gekommen waren, zu berauben. Die Menschen sind unkeusch und sexsüchtig. Sie nehmen die Ehe nicht mehr ernst, finden Seiten­sprünge und Prosti­tution nicht schlimm und meinen, sie hätten ein Anrecht auf das Ausleben homo­sexueller und anderer perverser Neigungen. So ähneln die Menschen auch im Hinblick auf ihre ungezügelte Sexualität den Einwohnern Sodoms und Gomorras. Ich habe in der Bibel und in meinen Geboten klar und einfach gesagt, was ich von den Menschen erwarte. Die Menschen des 21. Jahr­hunderts könnten mein Wort besser verbreiten als je zuvor mit ihren Massen­medien und ihren viel­fältigen Kommu­nikations­möglich­keiten. Aber meine Weltordnung wird in den Medien meistens ver­schwiegen oder gar verhöhnt, und das, was mir nicht gefällt, wird öffentlich zum Beispiel gesetzt und ver­herrlicht. Auch vor Mord schrecken die Menschen nicht zurück; davon sind gerade die Schwächsten bedroht, die wehrlosen ungeborenen Kinder. Die Gesell­schaft toleriert und finanziert sogar noch den Mord an ihnen, nur weil werdende Mütter und Väter nicht bereit sind, die Ver­antwortung für die Kinder zu übernehmen, die sie gezeugt haben. Auch die Einwohner von Sodom wollten die beiden Fremden, die bei Lot eingekehrt waren, umbringen. Was ich den Menschen schon vor tausenden von Jahren geboten habe, das wird immer weniger beachtet. Selbst viele, die sich Christen nennen, nehmen es doch kein bisschen ernst, wenn sie daran erinnert werden, dass ich jeden siebenten Tag für den Gottes­dienst reserviert und geheiligt habe. Sie weisen dieses Gebot entrüstet zurück oder spotten gar noch darüber, so wie die Schwieger­söhne Lots auf die ernste Warnung reagiert haben, sie sollten Sodom schleunigst verlassen. Und wie oft habe ich die Menschheit schon gewarnt! Mit der Sintflut, mit dem Untergang von Sodom und Gomorra, durch unzählige Propheten, durch unzählige Kriege, durch unzählige Kata­strophen bis in die Gegenwart. Nichts hat sich gebessert; jetzt ist das Maß voll. Ich bin keineswegs ungerecht, wenn ich jetzt zum letzten Vernichtungs­schlag gegen die Menschheit anhebe; ich habe schon sehr viel Geduld gezeigt.

Ja, so könnte Gott antworten. Und wir würden dann vielleicht mit viel Zittern und Zagen, und hoffentlich sehr demütig, noch einmal anheben und mit Gott reden, wie einst Abraham mit ihm redete, vor dem Untergang von Sodom und Gomorra, und wir würden vielleicht sagen: Herr, du hast Recht, aber es sind doch nicht alle Menschen so. Manche Menschen investieren ihr Geld un­eigennützig. Manche achten deine Ordnungen für Ehe und Familie und bleiben ihren Partnern ein Leben lang treu. Manche bekennen sich mutig und fröhlich zu dir. Manche protes­tieren gegen die vielen Ab­treibungen. Manche versäumen keinen Sonntags­gottes­dienst, wenn sie nicht ernstlich verhindert sind. Vielleicht sind es ja nur 50 Millionen auf der ganzen Welt, aber sollen die denn mit umkommen in deinem Straf­gericht? Gott, du bist doch gerecht, das kannst du doch nicht machen! Gut, vielleicht sind's auch nur fünfund­vierzig Millionen oder vierzig Millionen. Ich weiß, Herr, du bist der Richter der Welt, und ich will dir keine Vor­schriften machen. Möglicher­weise gibt es nur dreißig Millionen gute Menschen. Aber willst du die wirklich mit bestrafen? Gut, vielleicht bin ich immer noch zu opti­mistisch, und es sind nur zwanzig Millionen – aber das sind doch auch eine Menge Menschen, sollen die unschuldig leiden? Ach Herr, es steht mir nicht zu, dich zu kritisieren und deine Urteile in Frage zu stellen, aber die Sache lässt mir keine Ruhe. Und wo ich jetzt schon mal mit dir darüber rede, gestatte mir noch die eine letzte Anfrage: Was wäre, wenn es vielleicht nur zehn Millionen Leute gibt, die ein reines Herz haben?

Und Gott könnte uns dann noch einmal antworten, so ähnlich wie er einst Abraham antwortete: Wenn ich unter den sechs­einhalb Milliarden Menschen auf der Welt auch nur 10 Millionen finde, die keine Sünder sind, sondern ein reines Herz haben, dann werde ich verhindern, dass der Meteor auf der Erde einschlägt.

Liebe Gemeinde, soweit mein Gedanken­spiel. Ihr könnt jetzt natürlich darüber den Kopf schütteln und sagen: Das hat sich der Pastor ja nur alles ausgedacht, das ist ja völlig un­realistisch. Es ist richtig, ich habe mir das ausgedacht, aber nicht alles. Ich habe mir nicht ausgedacht, dass Gott die Bosheit von Menschen mit Feuer straft, das vom Himmel fällt, das ist in Sodom und Gomorra damals tatsächlich so geschehen, das ist wahr. Wahr ist ebenfalls, dass Gott selbst den Maßstab setzt, nach dem er uns Menschen beurteilt, und dass er uns diesen Maßstab in seinen Geboten klar kundgetan hat. Wahr ist, dass die Menschheit von diesem Maßstab weit abgewichen ist und dass es keinen einzigen gibt, der vollkommen nach Gottes Geboten lebt. Wahr ist, dass Gott deshalb keineswegs ungerecht wäre, wenn er uns in solch einer schreck­lichen globalen Natur­katastrophe alle vernichten würde. Wahr ist, dass Gott es aus lauter Liebe und Geduld bisher nicht getan hat, sondern er hat es bei örtlich begrenzten Warnungen bewenden lassen. Wahr ist, dass Gott unserer Welt früher oder später ein schreck­liches Ende bereiten wird, sei es mit oder ohne Meteor. In der Bibel ist das Ende der Welt deutlich voraus­gesagt, zum Beispiel im zweiten Petrus­brief. Da steht: „Dann werden die Himmel zergehen mit großem Krachen; die Elemente aber werden vor Hitze schmelzen, und die Erde und die Werke, die darauf sind, werden ihr Urteil finden“ (2. Petrus 3,10). Und wahr ist schließlich auch – das ist das Wichtigste – : Es gibt eine Rettung in diesem Straf­gericht! Wie einst die beiden Engel den Lot und seine Angehörigen bei der Hand nahmen und aus dem brennenden Sodom führten, so wird der Herr Jesus Christus dann seine Gläubigen aus dem Jüngsten Gericht in das ewige Leben führen. Und weil das wahr ist, können wir, die wir an ihn glauben und getauft sind, getrost und unverzagt bleiben, wenn sich die letzte große Katastrophe anbahnt, sogar wenn sie durch einen Meteor kommt, der in die Erde einschlägt.

Lasst uns dabei aber eins von Abraham lernen: die Sorge um unsere Mit­menschen. Abraham hatte damals großen Mut bewiesen, als er so mit Gott redete. Dieser Mut war getragen durch die Sorge um seinen Neffen Lot und andere Menschen in der Stadt. Freilich hatte Abraham sich geirrt, wenn er meinte, es müssten doch wenigstens zehn Gerechte in der Stadt sein. Indem Gott dann wirklich sein Straf­gericht schickte, hat er gezeigt, dass es in Wahrheit keinen einzigen Gerechten in Sodom und Gomorra gegeben hatte. In der Heiligen Schrift ist ja auch klar bezeugt: „Es gibt keinen Menschen, der nicht sündigt“ (2. Chronik 6,36). Aber Abrahams Sorge um die Mitmenschen können wir uns zu eigen machen, auch wenn wir um ihre und unsere eigene Sünde wissen. Denn es gibt ja eine bessere Gerechtig­keit als unsere eigene, die uns im letzten Gottes­gericht bewahren kann: die Gerechtig­keit, die der Herr Jesus Christus uns erworben hat mit seinem teuren Blut. Es kommt nun alles darauf an, dass diese Gerechtig­keit des Evangeliums allen Menschen in der Welt bekannt gemacht wird, ja, dringend ans Herz gelegt wird, damit sie nicht verloren gehen. Und es kommt darauf an, dass wir Gott in den Ohren liegen: Herr, bekehre doch die Menschen! Öffne ihre Ohren und Herzen für dein Wort! Lass sie doch erkennen, was allein sie retten kann! Lass sie nicht verloren gehen, sondern bewahre sie für das ewige Leben! Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2008.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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