Es geht um Leben und Tod

Predigt über Hesekiel 3,17‑19 zum 9. Sonntag nach Trinitatis

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Die Kirche wird oft falsch ein­geschätzt. Man hält sie für einen Verein, wo fromme Menschen Gesellig­keit pflegen, singen, beten, und nett zueinander sind. Man erwartet von dieser Insti­tution, dass sie überhaupt zu allen Leuten nett ist und be­nachteilig­ten Menschen hilft. Dabei wird leicht übersehen, worum es denn eigentlich in der Kirche geht: Es geht um Leben und Tod! Das ernste Wort vom Wächteramt, das Gott einst seinem Propheten Hesekiel sagte, das gilt auch heute noch in der christ­lichen Kirche; das dürfen wir niemals außer Acht lassen.

Erstens müssen wir in diesem Wort zur Kenntnis nehmen, dass Gott der Herr über Leben und Tod ist, er allein. Gott sagt zum Gottlosen: „Du musst des Todes sterben!“ Ebenso wie der Schöpfer jedem Menschen das Leben schenkt, so fällt er auch Todes­urteile: „Du musst des Todes sterben!“ Gott sitzt am Schalter; er schaltet das Leben für uns an, er schaltet es auch wieder aus. Damit ist übrigens nicht nur das leibliche Leben gemeint. Wenn die Bibel von Tod und Leben redet, dann geht es nicht so sehr um Atem, Herzschlag und Hirnströme, dann geht es vor allem um die Seele und die Gemein­schaft mit dem lebendigen Gott. Der „Gottlose“, von dem in unserem Bibelwort die Rede ist, ist ein Mensch, der sich selbst von der Quelle des Lebens losgerissen und entfernt hat; er kümmert sich nicht um Gott und ist darum Gott los­geworden. Wenn Gott das Urteil über ihn spricht: „Du musst des Todes sterben!“, dann ist das die zwingende Folge aus seinem Verhalten: Wer ohne Gott sein will, soll auch ohne Gott bleiben – genau das ist aber der Tod in seinem tiefsten Sinn.

Zweitens nehmen wir in diesem Wort zur Kenntnis, dass Gott höchst ungern ein Todesurteil fällt. Gott ist ein Freund des Lebens, Gott liebt alle Menschen, auch die Sünder, auch die Gottlosen. Zwar hätte er das Recht, jedem Sünder die Gemein­schaft auf­zukündigen und dessen Leben zu beenden, aber er tut es nicht ohne Weiteres, er will ihm noch eine Chance geben. Darum lässt Gott warnen, lässt zur Umkehr rufen, lässt sein Wort in der Welt erschallen durch seine Boten, wie zum Beispiel durch den Propheten Hesekiel. Er sagte ihm: „Du wirst aus meinem Munde das Wort hören und sollst sie in meinem Namen warnen.“ Bevor Gott sein Todesurteil über den Gottlosen voll­streckt, soll der Gottlose eine Chance zur Umkehr erhalten. Und diese Chance gibt Gott nicht nur dem Haus Israel des alten Bundes, sondern allen Sündern aus allen Völkern, also auch uns. Diese Chance gibt er uns durch seinen Sohn Jesus Christus. Wer sich von seinem gottlosen Wegen bekehrt und an Jesus Christus glaubt, der wird begnadigt; Gottes Todesurteil wird an ihm nicht voll­streckt. Wer zu Jesus gehört, der darf ewig leben, weil Jesus bereits stell­vertretend für ihn den Tod erlitten hat. Ja, aus lauter Liebe, Güte, Gnade und Barmherzig­keit lässt Gott die gottlosen Menschen warnen, damit sie nicht sterben müssen, nicht für immer von Gott getrennt sein müssen, sondern durch Jesus für immer mit ihm verbunden bleiben.

Vorgestern habe ich eine neue Bohr­maschine in Betrieb genommen. Sie war in einer Plastiktüte verpackt. Auf dieser Tüte stand eine Warnung: „Zur Vermeidung von Er­stickungs­gefahr diese Tüte von Klein­kindern fern­halten!“ Solche Warnungen sind ganz wichtig, darum sind sie gesetzlich vor­geschrieben. Solche Warnungen können Menschen­leben retten, leibliche Menschen­leben. Um wieviel wichtiger aber sind Gottes Warnungen! Um wieviel wichtiger ist Gottes Aufruf, sich zu bekehren und an Jesus zu glauben! Da geht's ja nicht bloß ums leibliche Leben, da geht's um das Überleben der Seele, um das ewige Leben! Ja, hier in der Kirche, wo Gottes Wort und Warnung verkündigt wird, geht es um Leben und Tod, das ist das Ent­scheidende.

Drittens können wir in unserem Predigtwort erkennen, dass Gott sein Wort und seinen lebens­wichtigen Ruf zur Umkehr bestimmten Menschen anvertraut hat. Er begann seine Rede an Hesekiel mit den Worten: „Du Menschen­kind, ich habe dich zum Wächter gesetzt über das Haus Israel.“ Nicht seinen Engeln hat Gott dieses Amt anvertraut, sondern ganz bewusst sündhaften Menschen, „Menschen­kindern“, „Adams-Söhnen“, wie wir auch übersetzen können. Als Gottes Prophet sollte Hesekiel ein „Wächter“ sein, ein Späher, ein Aufpasser. Wie damals Wächter auf der Stadtmauer nach Feinden Ausschau hielten und dann die Bürger warnten, so sollte Hesekiel die Sünder seiner Zeit vor Gottes Straf­gericht warnen. Er sollte es tun, indem er genau darauf achtete, was Gott ihm zu sagen hatte, und indem er das dann unverkürzt weiter­sagte. Gott trug ihm auf: „Du wirst aus meinem Munde das Wort hören und sollst sie in meinem Namen warnen.“ Genau hinsehen, genau hinhören und dann warnen – das ist Gottes Auftrag an seine Boten, an die Propheten und an alle, die er in sein Ver­kündigungs­amt eingesetzt hat. Botschafter sollen sie sein, Abesandte des höchsten Königs, vollkommen ver­lässlich, vollkommen loyal. Sie sind ver­antwortlich dafür, dass das Wort des Königs gehört wird. Wenn sie es ver­schweigen oder ver­fälschen, so werden sie selbst streng bestraft werden. Wenn sie es aber getreu ausrichten, so haben sie ihre Schuldig­keit getan; sie sollen nicht erzwingen, dass des Königs Warnungen auch befolgt werden, noch können sie es erzwingen. Gott sagte zu Hesekiel: „Wenn ich dem Gottlosen sage: Du musst des Todes sterben!, und du warnst ihn nicht und sagst es ihm nicht, um den Gottlosen vor seinem gottlosen Wege zu warnen, damit er am Leben bleibe, – so wird der Gottlose um seiner Sünde willen sterben, aber sein Blut will ich von deiner Hand fordern. Wenn du aber den Gottlosen warnst und er sich nicht bekehrt von seinem gottlosen Wesen und Wege, so wird er um seiner Sünde willen sterben, aber du hast dein Leben errettet.“

Was für Hesekiel und die anderen Propheten des Alten Testaments galt, das gilt auch für die Apostel und Gottesboten in neu­testament­licher Zeit. Sie sind Wächter; sie sollen genau hinschauen, genau hinhören auf Gottes Weisung und sein Wort dann mutig und un­verfälscht weiter­geben. Sie sollen der Welt bezeugen, dass es nur einen Ausweg gibt aus Sünde und Tod, einen einzigen Weg zum Frieden mit Gott und zum ewigen Leben: Das ist der Glaube an den Herrn Jesus Christus. Im Neuen Testament werden sie nicht „Wächter“ genannt, wohl aber „Aufseher“, auf griechisch „episkopos“, wovon unser deutsches Wort „Bischof“ abgeleitet ist. Nach neu­testament­lichem Verständis sind alle Pastoren Bischöfe, also „Aufseher“, alle Männer, die er in das Hirtenamt eingesetzt hat. Wie Hesekiel sind sie dafür ver­antwortlich, dass Gottes Botschaft die Menschen erreicht, damit sie von ihren gottlosen Wegen umkehren und in Christus den einen Weg des Lebens finden. Es geht bei dieser Botschaft um Leben und Tod; und wehe den Pastoren und Bischöfen, die nicht treu nach dem Wort ihres Herrn zur Umkehr rufen!

Liebe Gemeinde, dieser Gedanke macht mir selbst oft zu schaffen: Sage ich das Wort denn richtig weiter? Bin ich deutlich genug in meiner Ver­kündigung? Bin ich nicht zu ängstlich, wenn es gilt, vor den Abwegen der Sünde zu warnen? Schiele ich zu sehr nach Erfolg, wohl wissend, dass Bußworte nicht gern gehört werden? Ja, auch mir gilt die Warnung, die Gott dem Hesekiel gegeben hat: „Wenn du den Gottlosen nicht warnst, so wird er um seiner Sünde willen sterben, aber sein Blut will ich von deiner Hand fordern.“ Nicht der Erfolg der Botschaft darf Maßstab für den Botschafter sein, sondern allein die Treue zum Urherber der Botschaft, allein die Treue zum König und Herrn. Selbst wenn ich mit einer verkürzten oder veränderten Botschaft viel mehr Leute in die Kirche bringen könnte, dürfte ich Gottes Botschaft nicht verkürzen und verändern. Das eine Evangelium von dem einen Weg zum Leben muss gestern wie heute verkündigt werden, das Wort von der engen Pforte, der Ruf zur Umkehr, denn nur so kann der Gottlose leben. Es geht hier um Leben und Tod!

Gott aber sei Dank, dass er uns durch seinen Sohn Jesus Christus den Weg zum Leben so leicht macht! Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2008.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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