Liebe Konfirmanden, liebe Brüder und Schwestern in Christus!
Als ich ein Junge war, lehrte mich mein Vater, im Wald mit Karte und Kompass den richtigen Weg zu finden. Ich lernte, mit dem Kompass die Marschrichtung zu peilen und mir dabei einen markanten Punkt am Horizont zu merken, zum Beispiel einen großen Baum. Den musste ich dann beim Weitergehen im Auge behalten. Dieses Prinzip hilft immer wieder im Leben, auch im übertragenen Sinn. Ihr Konfirmanden habt euch zielstrebig auf die Konfirmandenprüfung und dann auf die Konfirmation vorbereitet. Mit der Konfirmation als Zielpunkt im Blick seid ihr fast zwei Jahre lang wöchentlich zum Konfirmandenunterricht gekommen, auch wenn ihr wahrscheinlich manchmal angenehmere Montagnachmittagsbeschäftigungen zur Auswahl gehabt habt. Ihr Konfirmandeneltern habt eurerseits auch den Zielpunkt Konfirmation ins Auge genommen; der Countdown lief schon seit Wochen und Monaten, damit alles gut vorbereitet werden konnte, um dieses Fest gebührend zu feiern. Ja, zielstrebiges Handeln ist wichtig und lohnt sich.
Was für einzelne Etappen auf dem Lebensweg gilt, das gilt auch für den Lebensweg insgesamt: Es lohnt sich, das Ziel im Auge zu behalten, und es ist auch wichtig. Das Ziel fürs gesamte Leben hat der Apostel Paulus in seiner berühmten Predigt in Athen so formuliert: „Gott hat einen Tag festgesetzt, an dem er den Erdkreis richten will mit Gerechtigkeit.“ Das hat er nicht nur einmal gepredigt, sondern immer wieder. Das hat nicht nur er gepredigt, sondern alle Apostel haben im Namen Gottes so gelehrt. Das ist nicht nur die Botschaft des Neuen Testaments, sondern die der ganzen Bibel; Paulus hat sie hier so formuliert, wie sie schon im Alten Testament in drei verschiedenen Psalmen vorkommt. Das Ziel unseres Lebens ist Gottes Gerichtstag am Ende der Zeit; das Jüngste Gericht am Jüngsten Tag! Das Leben im christlichen Glauben ist also kein spirituelles Wellness-Programm, um etwas angenehmer durchs Leben zu kommen, sondern es ist eine zielstrebige Wanderung auf Gottes großen Tag hin. Derselbe Apostel Paulus hat in einem seiner Briefe unmissverständlich geschrieben: „Hoffen wir allein in diesem Leben auf Christus, so sind wir die elendesten aller Menschen“ (1. Kor. 15,19). Das ist keine Vertröstung aufs Jenseits, denn wie gesagt: Wer das Ziel im Blick hat, findet jetzt schon den richtigen Weg, wer aber ziellos ist, der verirrt sich. Darum fordert Gott alle Menschen auf, das Ziel immer wieder neu in den Blick zu nehmen, sich darauf zu besinnen, nötigenfalls umzudenken, „Buße zu tun“, wie es in der Pauluspredigt heißt: „Gott gebietet den Menschen, dass alle an allen Enden Buße tun.“
Ihr, liebe Konfirmanden, habt gründlich gelernt, was es heißt, zielstrebig auf Gottes Gerichtstag hinzuleben. Das Wesentliche ist am Schluss der sogenannten Areopag-Rede des Apostels Paulus, die wir hier betrachten, zusammengefasst: „Gott hat einen Tag festgesetzt, an dem er den Erdkreis richten will mit Gerechtigkeit durch einen Mann, den er dazu bestimmt hat, und hat jedermann den Glauben angeboten, indem er ihn von den Toten auferweckt hat.“ Diesen Mann habt ihr kennengelernt, den wahren Menschen und wahren Gott Jesus Christus. Von seinem Tod und seiner Auferstehung habt ihr gehört und davon, was das für euch bedeutet. Ihr habt gelernt, dass dieser Mann in göttlicher Herrlichkeit sichtbar wiederkommen wird am Ende der Zeit und dass der Vater im Himmel ihm sein endgültiges Gericht übertragen hat. Ihr wisst, was das bedeutet: Mit Jesus habt ihr keinen strengen und unbarmherzigen Richter, sondern einen liebevollen und barmherzigen Richter. Wenn Paulus verkündigt, dass Gott „jedermann Glauben angeboten hat“ durch Jesus, dann ist damit genau genommen die Glaubensgerechtigkeit gemeint, also die Tatsache, dass ein Mensch allein wegen seines Vertrauens auf den Opfertod Jesu Christi einen Freispruch im Gericht erwarten darf. Wer getauft ist und an Jesus als seinen Heiland glaubt, der weiß: All der Mist, den ich im Leben verzapft habe, alle Lieblosigkeit, alle Unwahrhaftigkeit, alle Faulheit, aller Egoismus, alle Angeberei, alle Habgier und was da sonst noch an Sünde ist in meinem Leben, das wird mir Gott in seinem Gericht nicht mehr anklagend vorhalten, denn das ist schon längst bezahlt durch Jesu Tod am Kreuz, das ist ausgelöscht und ausradiert in meinem Schuldenkonto bei Gott, das ist vergeben. Von dieser Glaubensgerechtigkeit habt ihr, liebe Konfirmanden, ausführlich gehört und gelernt. Heute bezeugt ihr öffentlich vor Gott und der Gemeinde, dass dies euer Glaube ist und bleiben soll. Gut so! Denn das bedeutet ja: Ihr könnt mit Zuversicht auf den großen Tag zugehen, an dem Jesus wiederkommt und an dem alle Welt gerichtet wird. Dass ihr aber mit Zuversicht auf diesen Tag zugehen könnt, das macht euch heute schon froh und gewiss.
Bedeutet diese Glaubensgerechtigkeit nun aber, dass wir es nicht so genau nehmen müssen mit Gottes Geboten und mit einem gottgefälligen Leben? Mancher hat die Rechtfertigung des Sünders derart missverstanden. Ihr Konfirmanden aber habt außer von der Rechtfertigung auch von der Heiligung gehört. Ihr wisst: Wer glaubt, der vertraut nicht nur darauf, dass er in Gottes Gericht ungeschoren davon kommt, sondern der vertraut auch darauf, dass seine Gebote für unser Leben gut sind. Außerdem empfängt er die Kraft des Heiligen Geistes, die ihn fähig macht, heilig zu leben – also so zu leben, wie Gott es will. Da sollen wir nun keineswegs nachlässig sein, sondern dieses Vorhaben mit größtem Eifer angehen. Auch wenn uns Lüge, Diebstahl, Unzucht und das Fernbleiben vom Gottesdienst um Christi willen vergeben werden können, wollen wir trotzdem alles daran setzen, das achte, siebte, sechste und dritte Gebot gewissenhaft zu halten, dazu auch die anderen Gebote, und vor allem das Liebesgebot. Wir sollen uns so ernsthaft um ein heiliges Leben bemühen, als käme es am Gerichtstag immer noch darauf an, mit unserem Verhalten vor Gott zu bestehen – so eindringlich legt es uns die Bibel an anderer Stelle ans Herz. Auch in dieser Hinsicht wollen wir zielstrebig auf Gottes Gerichtstag hinleben – im steten Bemühen um ein solches Verhalten, wie wir es am Jüngsten Tag vor Gottes Gericht verantworten können. Wir sehen also: Der Blick nach vorn aufs Ziel prägt unser Christenleben nicht nur für unsere Glaubenszuversicht im Bereich der Rechtfertigung, sondern auch für unseren Glaubensgehorsam im Bereich der Heiligung.
Als Paulus mit seiner Predigt fertig war, fand er nicht viel Zustimmung. Einige lachten ihn aus, andere winkten müde ab und meinten, man könne sich ja ein andermal weiter darüber unterhalten. Mit der Auferstehung der Toten konnten die meisten nichts anfangen, daher glaubten sie auch nicht an Gottes Gericht. Es ist dieselbe Situation, in der wir heute stehen: Viele Menschen meinen, wer tot ist, werde nicht wieder lebendig. Sie rechnen nicht damit, dass sie sich einmal vor Gottes Gericht werden verantworten müssen, und deshalb ist ihnen das Evangelium von Jesus Christus ziemlich gleichgültig. Manch einer versucht vielleicht noch aus Tradition, den christlichen Glauben umzudeuten als eine spirituelle Lebenshilfe, aber die Zukunft nach dem Tod, das Wiederkommen Jesu und das Jüngste Gericht werden ausgeblendet. Diese Menschen haben das Ziel aus den Augen verloren und sagen dann vielleicht: „Der Weg ist das Ziel“ – eines der beliebtesten neudeutschen Sprichwörter. Aber dieses Sprichwort ist falsch, jedenfalls im Blick auf den Lebensweg. Es entspricht nicht dem Wort Gottes. Nicht der Weg ist das Ziel, sondern das Ziel ist das Ziel, und der einzig richtige Weg ist der Weg, der dieses Ziel im Blick hat: Das Wiederkommen unseres Herrn Jesus Christus zum Gericht und sein Freispruch, der allen Glaubenden das Tor zur ewigen Seligkeit öffnet.
Ein paar Menschen haben der Predigt des Paulus Glauben geschenkt. Sie hielten sich zu ihm, hörten mehr von Gottes Wort und lebten künftig als Christen. Es waren Dionysius, Damaris und einige andere. Es ist meine Hoffnung, dass wir das entscheidende Stück der Pauluspredigt auch heute wieder nicht ganz vergeblich gehört haben, sondern dass ein paar Menschen desto gewisser unter Gottes Wort weitergehen: Ihr Konfirmanden und einige andere. Behaltet nur das Ziel im Auge, nämlich Gottes Gericht und was es von euch fordert und wie ihr vor ihm bestehen könnt! Wenn ihr mit diesem Ziel im Auge weitergeht auf eurem Lebensweg, kann ich euch nicht versprechen, dass es ein leichter Weg werden wird, und ich kann euch auch nicht vorhersagen, wie merkwürdig verschlungen er sein wird. Aber eines kann ich euch versprechen und vorhersagen, weil Gott es selbst es verspricht und vorhersagt: Es wird ein guter Weg sein, Jesus Christus wird mitgehen, und das Ziel am Ende des Weges wird herrlicher sein, als sich das irgendjemand jetzt ausmalen kann. Amen.
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