Der Kranz

Predigt über Offenbarung 3,11b zum 3. Advent

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Der Advents­kranz gehört zu den vor­weihnacht­lichen Bräuchen, die uns von Kindheit an vertraut sind. Seine vier Kerzen steigern die weihnacht­liche Vorfreude; Woche für Woche kommt ein Licht hinzu bis zum großen Lichter­glanz des Weihnachts­fests. Das mit den Kerzen ist also klar; warum aber der grüne Kranz? Das Wort des Herrn Jesus Christus, das wir eben als Predigttext gehört haben, kann uns helfen, die symbolische Bedeutung des Advents­kranzes zu verstehen. Ja, man kann sogar sagen, dass in diesem Wort des Herrn Jesus Christus bereits vom Advents­kranz die Rede ist – wiewohl unser vertrauter Advents­kranz erst vor 170 Jahren erfunden wurde. Unser Predigttext lässt sich nämlich auch so übersetzen: „Halte, was du hast, dass niemand deinen Kranz nehme!“ Krone und Kranz – das ist ein und dasselbe im Neuen Testament. Gemeint ist der Sieges­kranz, von dem die Heilige Schrift an vielen Stellen redet. Die Sieger in antiken sportlichen Wettkämpfen wurden mit Lorbeer­kränzen auf dem Kopf geehrt; auch siegreich heim­kehrende Feldherren und Könige wurden so geehrt. Manche Könige haben sich selbst­bewusst auch gleich einen Dauer-Siegeskranz aus Gold auf den Kopf setzen lassen; daraus entwickelte sich dann im Lauf der Zeit die Krone. Wenn die Bibel im über­tragenen Sinne vom „Kranz“ oder von der „Krone“ spricht (auch manchmal „Krone des Lebens“ genannt), dann ist damit der siegreiche Einzug von Gottes Kindern in den Himmel gemeint, in die ewige Seligkeit. Dann werden Gottes Kinder als Sieger dastehen – als Sieger über die Sünde, über den Tod, über den Teufel. Sie alle werden dann Sieger sein, weil einer für sie den Sieg errungen hat: Jesus Christus, unser Heiland, unser Erlöser. Wenn der wieder­kommen wird am Jüngsten Tag, zu richten die Lebendigen und die Toten, dann werden alle, die zu ihm gehören, als Mit-Sieger dastehen. Das Zeichen dafür ist der Sieges­kranz, die Krone des Lebens. Wir könnten auch von einem „Advents­kranz“ sprechen, denn Advent heißt „Ankunft“, und es handelt es sich ja um den Sieg der Erlösten, der bei Jesu erneuter Ankunft in der Welt offenbar werden wird. Wir merken: Unser richtiger Advents­kranz ist nicht nur ein Symbol der Vorfreude auf Weih­nachten, sondern auch ein Symbol der Vorfreude auf den Himmel. Aus diesem Grund legt man bei Beerdi­gungen auch gern Kränze aufs Grab – als Zeichen der Hoffnung auf eine fröhliche, siegreiche Auf­erstehung.

Nun wollen wir aber darauf achten, was unser Herr uns über den Advents­kranz beziehungs­weise Siegeskranz zu sagen hat: „Halte, was du hast, dass niemand deinen Kranz nehme!“ „Was du hast“, sagt Jesus, und damit meint er den Sieg über Sünde, Tod und Teufel. Wir erkennen: Wir besitzen diesen Sieg schon, wir haben ihn gewisser­maßen schon in der Tasche, Jesus hat ihn schon am Kreuz für uns errungen und in der Taufe uns persönlich zugeeignet. Dabei geht es nicht nur um gute Hoffnung für die Zukunft und um Vorfreude auf den Himmel, sondern darin ist enthalten, dass wir jetzt schon Gottes Kinder sind und jetzt schon zu Gottes Reich gehören. „Was du hast“, das bedeutet: Du hast einen starken Heiland an deiner Seite, der dich durchs ganze Leben begleitet. Du hast in schwierigen Lebens­phasen den Trost, dass er dich nicht im Stich lässt und dir Kraft gibt, das zu tragen, was Gott dir zu tragen auflegt. Du hast herzliche Gemein­schaft mit anderen Christen; du kannst sie lieben und dich an ihrer Liebe erfreuen. Du hast die schönen Gottes­dienste in der Gemein­schaft mit anderen Christen, kannst loben und beten, kannst im Heiligen Abendmahl schmecken und sehen, wie freundlich der Herr ist. Du hast jederzeit ein offenes Ohr bei Gott, kannst immer mit ihm reden, wenn du das möchtest. Du hast Talente, Fähigkeiten und Gaben des Heiligen Geistes empfangen, mit denen du mitarbeiten darfst in Gottes Reich, mit denen du mithelfen kannst, dass das Evangelium sich immer weiter ausbreitet und weiterläuft durch die Gene­rationen. Als Kind Gottes hast du ungeheuer viel; der Siegeskranz und die Aussicht auf die ewige Seligkeit ist der krönende Abschluss davon, das Ziel der Vollendung. Als Kind Gottes hast du einen Schatz, der unendlich viel wertvoller ist als alle Schätze dieser Welt.

Und nun mahnt Jesus: „Halte, was du hast!“ Halte es fest, sei nicht leicht­fertig damit, lass es dir nicht rauben. Mit dem Festhalten ist der Glaube gemeint. Der Begriff „fest­halten“ macht auch schön deutlich, was der Glaube ist: Wir nehmen ein Geschenk an und behalten es, nämlich die Erlösung unseres Herrn Jesus Christus. Da merken wir: Jeder Glaubende hat die volle Erlösung, egal ob sein Glaube schwach oder stark ist. Wer ein Geschenk in der Hand hält, hat das ganze Geschenk, gleich ob er fest zupackt oder ob er es nur schwach hält. Wer es aber nur schwach hält, der läuft Gefahr, dass ihm das Geschenk aus der Hand fällt, und dann hat er es ganz verloren. Deshalb ist es besser, wenn wir unser Heil mit festem Glauben fassen: Wir haben dann zwar nicht mehr Heil, aber es kann uns nicht so leicht entgleiten oder geraubt werden. „Halte, was du hast!“, mahnt Jesus. Fasse die Erlösung mit festem Glauben, dann kann es auch in Zeiten der Not und Anfechtung nicht geschehen, dass du den Glauben und mit ihm das Heil verlierst. „Halte, was du hast!“

Diese Mahnung unseres Herrn finden wir sehr häufig in der Bibel, nicht nur in den Send­schreiben der Offen­barung, und stets ist sie mit großem Ernst und großem Nachdruck formuliert – die Mahnung, im Glauben nicht nach­zulassen, den Glauben nicht aufzugeben, sondern ihn bis ans Ende fest­zuhalten. „Wachet!“, sagt Jesus, an anderer Stelle. „Wachen“ im Sinne Jesu heißt nichts anderes als den Glauben wach halten. „Lasst eure Lenden umgürtet sein und eure Lichter brennen!“ meint dasselbe. Im Gleichnis von den zehn Jungfrauen ist es das Reserveöl für die Lampen, das dieses Beharren im Glauben aussagt. Im Gleichnis vom vierfachen Acker ist das Problem beim Samen auf dem Felsen dies, dass sich nach anfäng­lichem Keimen keine stabilen Wurzeln ausbilden können; nur der Same, der tief einge­wurzelt ist, hat Bestand und kann zur rechten Zeit Frucht bringen. Ja, liebe Gemeinde, das ist das Wichtigste: dass unser Glaube Bestand hat, dass er krisenfest wird, dass wir ihn festhalten, dass wir ihn bis ans Ende bewahren. „Halte, was du hast!“

Und wie geht das, das Heil festhalten, den Glauben bis ans Ende bewahren? Nur so, dass wir Verbindung halten mit dem, der uns diese Mahnung sagt. Nur so, dass wir im Gespräch mit ihm bleiben, am Gebet bleiben. Nur so, dass wir uns von der Illusion ver­abschieden, wir selbst könnten schon alles gut in den Griff kriegen in unserem Leben. Nur so, dass wir uns täglich neu dem dreieinigen Gott ergeben, „im Glauben und Gehorsam dir treu zu sein bis an mein Ende.“ Nur so, dass wir Gottes Wort suchen, dass es uns wichtig und vertraut wird wie das tägliche Brot. Nur so, dass wir die Gemein­schaft der Mitchristen nicht verlassen, die Gemeinde der Heiligen, dass wir gegenseitig miteinander und füreinander beten, dass wir uns trösten und mahnen mit Gottes Wort. Nur so, dass der Heilige Geist auf diesen Wegen zu uns kommt und uns den Glauben stärkt. „Halte, was du hast, dass niemand deine Krone nehme!“ Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2007.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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