Liebe Brüder und Schwestern in Christus!
Wir kennen das aus den Medien: Wenn im Irak, in Afghanistan oder in anderen Krisengebieten hochgestellte Persönlichkeiten auf Reisen sind, dann reist immer eine schwer bewaffnete militärische Schutztruppe mit. Militärisches Geleit ist für die Sicherheit von Leib und Leben wichtig, denn es kann stets unvermutete Überfälle geben. Was heute einen Ausnahmefall darstellt, das war in alten Zeiten der Normalfall – etwa im Mittelalter, oder auch zu Jesu Zeiten. Wer sich auf Reisen begab, der brauchte bewaffneten Schutz, sonst war es so gut wie sicher, dass Räuber ihn überfallen würden. Gut hatte es derjenige, den der König des Landes für würdig erachtete, ihm eine starke Schutztruppe von Soldaten mit auf den Weg zu geben. Dass man zum sicheren Reisen bewaffneten Schutz braucht, das war den Menschen damals ebenso selbstverständlich, wie uns heute der Sicherheitsgurt im Auto selbstverständlich ist.
An diese Selbstverständlichkeit knüpfte Jesus an, als er von den Engeln der Kinder sprach. Er meinte damit ihre Schutzengel, also die Truppen, die der König im Himmel persönlich beauftragt hat, die Kinder zu begleiten und Gefahren von ihnen abzuwenden. Überhaupt macht uns die Heilige Schrift Gottes Engel wie ein Heer von Soldaten anschaulich. Man mag diesen Vergleich mögen oder nicht – er verdeutlicht doch vieles, was wir von den Engeln wissen sollten. Es beginnt damit, dass Gott in der Bibel annähernd 300-mal als der „Herr Zebaoth“ bezeichnet wird; das heißt übersetzt: „Herr der Heerscharen“. Gott ist der König, die Engel sind seine „Heerscharen“, seine Armee. Und der Erzengel Michael, an den wir beim heutigen Engelfest besonders denken, ist gewissermaßen der General dieser Armee. „Engefürst“ nennt ihn die Bibel, „Oberengel“. Eine Armee ist straff organisiert, mit einer klaren Befehlsstruktur. Da gibt es den General und andere hohe Offiziere, die sich direkt mit dem König besprechen. Da gibt es die mittleren Offiziersränge, die von höheren Offizieren Befehle empfangen und sie an die unteren Ränge weitergeben. Und da gibt es schließlich die einfachen Soldaten, die nur Befehle empfangen und sie ausführen. So ähnlich müssen wir uns Gottes Armee vorstellen, mit Erzengeln und Engeln auf verschiedenen Rängen; so jedenfalls wird uns das Engelheer in der Bibel anschaulich gemacht.
Ich komme nun auf die Schutzengel der Kinder zurück. Jesus sagte von den Kindern: „Seht zu, dass ihr nicht einen von diesen Kleinen verachtet. Denn ich sage euch: Ihre Engel im Himmel sehen allezeit das Angesicht meines Vaters im Himmel.“ Was uns zunächst etwas fremd und unverständlich vorkommt, das war den damaligen Menschen auf Anhieb klar: Die Schutztruppen, die die Kinder auf ihrem Lebensweg begleiten, werden direkt von ranghohen Engel-Offizieren befehligt, von solchen nämlich, die im Himmel gewissermaßen persönlich bei den Dienstbesprechungen des Königs der Welt anwesend sind und direkt von ihm Befehl empfangen. Jesus will damit sagen: Kinder sind in Gottes Augen VIPs, „very important persons“, hochrangige Persönlichkeiten, die von höchstqualifizierten Offizieren Geleitschutz erhalten. Jesus gibt damit eine klare Antwort auf die Frage seiner Jünger nach den Größten im Himmelreich: Die Kleinsten und Unbedeutendsten auf Erden, die Kinder, sind in Gottes Augen und in Gottes Reich die größten und bedeutendsten Persönlichkeiten. Kinder sind bei Gott besonders hoch geschätzt.
Und warum ist das so? Weil im Hinblick auf den Glauben die Kinder Vorbilder für uns Erwachsene sind. In den meisten Lebensbereichen ist das ja anders – zumindest erscheint es uns so: Wir Erwachsene sollen den Kindern ein gutes Vorbild geben, damit sie gut in die Rolle des Erwachsenseins hineinwachsen. Aber beim Glauben ist es anders. Als die Jünger Jesus fragten, wer denn der Größte in Gottes Reich sei, da rief Jesus ein Kind zu sich und deutete auf dieses Kind. Und dann sagte er seinen Jüngern: „Wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht ins Himmelreich kommen.“ In Gottes Reich sind die Kinder den Erwachsenen Vorbilder. Nur wer das akzeptiert und von den Kindern zu lernen bereit ist, der kann als Erwachsener zu Gottes Reich gehören.
Aber was ist denn nun eigentlich das Vorbildliche an den Kindern? Jesus sagte: „Wer sich selbst erniedrigt und wird wie dies Kind, der ist der Größte im Himmelreich.“ Sich selbst erniedrigen, demütig sein, sich nicht überschätzen, sich der Abhängigkeit von Gott bewusst sein, das ist vorbildlich an den Kindern. Und nichts anderes ist der Glaube an Jesus Christus: Wir erkennen, dass wir Sünder sind und bei Gott keine Ansprüche stellen können; klein und demütig stehen wir vor ihm da; wir erniedrigen uns. Aber wir wissen: Gott schenkt uns alles durch seinen Sohn; wir werden ohne Eigenleistung gerecht, allein aus Gnade. Wie Gott die Kinder durch ranghohe Engel auf ihrem Lebensweg beschützt, so beschützt er uns durch die Gnade des Herrn Jesus Christus vor den Angriffen des Teufels und geleitet uns sicher auf dem Weg in den Himmel. Die eigene Hilflosigkeit auf diesem Weg erkennen und dem göttlichen Schutz vertrauen, das eigentlich ist der christliche Glaube. Und um so zu glauben, muss man ein Stück selbstbewusstes Erwachsensein ablegen und von den Kindern lernen, ja, kindlich werden. Denn die Kinder wissen ganz selbstverständlich, wie abhängig sie von anderen sind, und haben auch keine Scheu, um Hilfe zu bitten.
Wenn wir so glauben, dann dürfen wir uns bei Gott zu den Kindern rechnen. In der Tat hat er uns ja in der Taufe zu seinen Kindern gemacht, und das bleiben wir auch, selbst wenn wir schon alt sind. Bei Gott gehören wir immer zu den Kindern, zu den „Kleinen“, wie Jesus auch sagte. Und weil das so ist, dürfen wir darauf vertrauen, dass Gott besonders gut für unseren Schutz und unser Geleit auf dem Lebensweg sorgt; wir sind ihm ganz wichtig. Deshalb dürfen wir Jesu Wort auch auf uns beziehen: „Die Engel der Kleinen sehen allezeit das Angesicht meines Vaters im Himmel.“ Amen.
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