Gott rettet vom Tod

Predigt über Psalm 30,4a zum 16. Sonntag nach Trinitatis

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Vor vielen Jahren betreute ich als Seelsorger eine Frau, die war seit einem schweren Autounfall querschnitt­gelähmt. Sie hat mir damals erzählt, dass sie unmittelbar nach dem Unfall dachte, sie würde jetzt sterben. Sie bat um ihr Leben, und Gott hat es ihr geschenkt. Seit dieser Zeit hat diese Frau zweimal im Jahr Geburtstag gefeiert: erstens an ihrem richtigen Geburtstag und zweitens am Tag des Unfalls, als Gott ihr das Leben neu geschenkt hatte.

Es gibt viele Menschen, die etwas Ähnliches erlebt haben, vielleicht auch einige von Euch. Aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs gibt es viele Geschichten von Menschen, die meinten, sie würden jetzt sterben, und dann hat Gott ihnen doch das Leben bewahrt. Wir können noch weiter zurück­gehen: Auch David hat Todesgefahr erlebt, bevor er König wurde, mehrfach sogar. Er hat es erlebt, dass professio­nelle Killer hinter ihm her waren mit dem gezielten Auftrag, ihn um­zubringen. Nachdem er dies überlebt hatte, war und blieb er seinem Gott von Herzen dankbar für die Rettung aus Todes­gefahr. Seinen Dank hat er in geistliche Lieder gefasst, in Psalmen, die noch heute vielen Menschen als Vorbild fürs Gotteslob dienen. „Ich preise dich, Herr, denn du hast mich aus der Tiefe gezogen“, so beginnt eines dieser Danklieder. Und zu diesem Danklied Davids gehört der Satz, der dieser Predigt zugrunde liegt: „Herr, du hast mich von den Toten herauf­geholt; du hast mich am Leben erhalten.“

So singen jene Kinder Gottes, deren Leben am seidenen Faden hing, die den leiblichen Tod unmittelbar vor Augen hatten und die dann doch überlebten, dank der Güte Gottes. Die meisten von ihnen schätzen ihr Leben danach besonders wert und achten es hoch; sie leben bewusst gesund und nehmen sich in acht vor neuen Gefahren. So war es auch bei der querschnitt­gelähmten Frau, von der ich eingangs berichtete.

Ja, Christen loben Gott und gehen sorgfältig um mit ihrem Leben, wenn Gott sie mit knapper Not vom leiblichen Tod errettet hat. Und was ist mit uns anderen? Können wir nicht beten: „Herr, du hast mich von den Toten herauf­geholt, du hast mich am Leben erhalten“? Doch, auch wir anderen können so beten. Denn Gott rettet ja nicht nur vom leiblichen Tod, sondern auch vom geistlichen Tod. Und diese Rettung vom geistlichen Tod haben alle erfahren, die zu Jesus Christus bekehrt und getauft worden sind.

Um das völlig zu verstehen, müssen wir uns klar machen, was denn eigentlich der geistliche Tod ist im Unterschied zum leiblichen Tod. Gottes Wort lehrt: Ein Mensch hat nur dann Leben im Vollsinn des Wortes, wenn er in Gemeinschaft mit dem lebendigen Gott steht. Gott ist die Lebens­quelle, und wer von der Lebens­quelle ab­geschnitten ist, der kann nicht wirklich weiter­leben. Was aber einen Menschen von der Lebens­quelle abschneidet und von Gott trennt, das ist die Sünde. Darum ist ein Sünder geistlich tot. Die Bibel nennt Sünder tatsächlich „Tote“, auch wenn ihre Leiber noch quick­lebendig sind. So hat zum Beispiel der Apostel Paulus an Timotheus ge­schrieben: „Eine Witwe, die aus­schweifend lebt, ist lebendig tot“ (1. Tim. 5,6). Das gilt natürlich nicht nur für Witwen. Und an anderer Stelle lehrte Paulus allgemein: „Der Sünde Sold ist der Tod“ (Römer 6,23). Der geistliche Tod ist also die un­ausweich­liche Folge der Sünde, der Lohn der Sünde, der „Sold“ der Sünde.

Diese Trennung von Gott, dieser geistliche Tod, zieht dann früher oder später den leiblichen Tod nach sich. Wenn Adam und Eva nicht gesündigt hätten, dann hätten sie im Garten Eden ewig leben können; als Sünder aber wurden sie sterblich, der Baum des Lebens blieb ihnen nach dem Sündenfall verwehrt. Wenn ein geistlich toter Mensch noch leibliches Leben hat, dann ist das eigentlich nur noch ein Lebensrest, der früher oder später verglimmt. Es ist so ähnlich wie bei einer er­schlagenen Schlange. Ich habe das in Afrika ein paarmal gesehen, wie eine Schlange erschlagen wurde, habe sogar einmal selbst eine erschlagen. Auch wenn der Kopf völlig zertrümmert ist oder gar abgetrennt, so bewegt sich der Schlangen­körper danach noch minuten­lang. Die Schlange ist eigentlich schon tot, aber ihr Leib lebt noch. Dasselbe kann man sehen, wenn eine Eidechse ihren Schwanz verliert: Auch wenn der Schwanz ab ist, bewegt er sich noch eine Weile, ehe er ganz tot ist. Seht, so ist das bei Sündern, bei geistlich toten Menschen: Sie sind von Gott getrennt, ihr Zugang zur Lebens­quelle ist ab­geschnitten, aber leiblich leben sie noch ein paar Jahre.

Aus diesem geistlichen Tod, der den leiblichen nach sich zieht, hat Gott uns gerettet durch Jesus Christus. Das ist ein gewaltiges Auf­erweckungs­wunder, das er an uns getan hat. Er hat uns durch Jesus alle Sünden vergeben und damit die Verbindung zu Gott, der Lebens­quelle, wieder her­gestellt. In der Bibel wird die Taufe darum auch „Bad der Wieder­geburt“ genannt. Es ist tatsächlich wie ein zweiter Geburtstag, ein geistlicher Geburtstag. In der Taufe wird der alte Sünden-Adam am Kreuz Christi getötet, und ein neuer Mensch steht mit Christus auf zu neuem Leben, zu geistlichem Leben. Darum dürfen wir uns nichts darauf einbilden, dass wir Christen sind und glauben; „das Rühmen ist aus­geschlos­sen“, wie Paulus lehrte (Römer 3,27). Wir können nur zutiefst dankbar sein, dass Gott dieses Auf­erweckungs­wunder an uns getan hat. Und darum: Auch wenn wir nie in leiblicher Lebens­gefahr gewesen sind, können wir doch in diesem Sinne die Worte aus Davids Lobpsalm nach­sprechen: „Herr, du hast mich von den Toten herauf­geholt; du hast mich am Leben erhalten.“

Freilich: Auch wenn wir geistlich auf­erstanden sind, muss unser Leib einmal sterben; insofern haftet uns die Folge unserer Sünde noch an. Aber dieses Sterben ist anders als bei Menschen, die geistlich tot sind, denn wir sterben in der Hoffnung auf ewiges Leben, diese aber erwartet der ewige Tod.

Damit sind wir bei der dritten Art Tod, von der Gottes Wort redet: Auf geistlichen Tod und leiblichen Tod folgt der ewige Tod. In der Offenbarung des Johannes heißt er auch „zweiter Tod“. Da steht im Zusammen­hang mit dem Jüngsten Gericht ge­schrieben: „Das ist der zweite Tod: der feurige Pfuhl. Und wenn jemand nicht gefunden wurde geschrieben in dem Buch des Lebens, der wurde geworfen in den feurigen Pfuhl“ (Offb. 20,15). Wer nicht durch Jesus erlöst ist, wer nicht vom geistlichen Tod auferweckt wurde, den erwartet nach dem leiblichen Tod der ewige Tod, „der feurige Pfuhl“, die Hölle. Wir merken dabei: „Leben“ kann die Existenz in der Hölle nicht genannt werden, denn Leben gibt es letztlich nur in Gemein­schaft mit Gott. Das Schreck­liche an der Hölle sind nicht irgend­welche Flammen oder körper­lichen Qualen, das Schreck­liche an der Hölle ist die endgültige Trennung von Gott. Da ist keine Bekehrung mehr möglich, da kann es keine Veränderung mehr geben, denn da gibt es auch keine Zeit mehr, genau wie im Himmel; da herrscht Ewigkeit. Das ist der schreck­liche ewige Tod, das Schlimmste, was einem Menschen zustoßen kann, viel schlimmer als der leibliche Tod. Davor bewahre uns Gott der Herr!

Aber Gott sei Lob und Dank, er hat uns ja schon davor bewahrt. Denn mit dem Glauben an seinen Sohn Jesus Christus hat er uns das großartige Versprechen geschenkt: „Wer an ihn glaubt, der hat das ewige Leben.“ So können wir als Glaubende jetzt schon Gott preisen für die Erettung vor dem ewigen Tod, die sich erst in Zukunft erweisen wird.

Wir haben gesehen: Dreifach redet die Bibel vom Tod; vom leiblichen Tod, vom geistlichen Tod und vom ewigen Tod. In jeder Hinsicht aber können wir den dreieinigen Gott loben dafür, dass er uns vom Tode erettet, errettet hat, eretten wird. Ja, das Psalmwort, das wir hier betrachtet haben, erlaubt es uns von seinem hebräischen Wortlaut her, die Aussage auf ver­schiedene Zeitebenen zu heben. Und so können wir unseren Gott anbeten und sprechen: „Herr, du hast mich von den Toten herauf­geholt; du hast mich am Leben erhalten.“ Und ebenso: „Herr, du wirst mich von den Toten herauf­holen; du wirst mich am Leben erhalten.“ Dafür wollen wir ihn immer loben und preisen. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2007.

Autor: Pastor Matthias Krieser

SOLI DEO GLORIA!

PREDIGTKASTEN

►  Startseite

►  Impressum