Für wen arbeiten wir eigentlich?

Predigt über Matthäus 6,1‑4 zum 13. Sonntag nach Trinitatis

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

In der Sembritzki­straße wird seit vielen Monaten fleißig gebaut. Un­ermüdlich wird die Straße auf­gebaggert und wieder zu­gebaggert. Nun stellt euch mal vor, der Bagger­fahrer würde eines schönen Tages sagen: „Heute baggere ich nicht, heute will ich mal für die luthe­rische Kirche den Rasen mähen.“ Und er würde, statt zu baggern, sich den ganzen Tag auf unserem Kirch­grundstück nützlich machen. Wäre das gut so? Wir als Gemeinde könnten uns natürlich darüber freuen; ich könnte ihm abends auf die Schulter klopfen und sagen: „Gut gemacht, vielen Dank!“ Das Problem ist nur: Was würde sein Chef dazu sagen? Denn schließ­lich ist er ja an­gestellt, um für die Finster­walder Bau-Union zu arbeiten und nicht für die Evan­gelisch-Luthe­rische Kirche. Sein Chef wäre also nicht begeistert über diesen Arbeits­einsatz, er würde dem Bagger­fahrer vielleicht sagen: „Dafür bezahlen wir dich nicht, dass du für die Kirche Rasen mähst! Dann sollen dich doch die Lutheraner bezahlen; von uns kriegst du für diesen Tag kein Geld.“ Und wir müssen dem Chef recht geben: Das Verhalten dieses Bagger­fahrers wäre nicht in Ordnung, selbst wenn wir einen Vorteil davon hätten.

Was uns beim Beispiel mit dem Bagger­fahrer allen ein­leuchtet, das leuchtet vielen Leuten bei ihrer Beziehung zu Gott nicht ein. Gott ist ja der Chef aller Menschen. Unser Leben in dieser Welt ist nicht nur Gottes Gabe an uns, sondern zugleich auch Gottes Aufgabe. Gott erwartet von uns, dass wir ihm dienen mit unserem Leben, dass also alles, was wir tun, ihn ehrt und seinen Gefallen findet. Gott ist der Chef, und wir sollen so leben, dass er uns am Ende auf die Schulter klopfen kann und sagen: „Gut gemacht! Zum Lohn darfst du dich jetzt bei mir für immer ausruhen im Himmel.“ Vielen Leuten ist das offenbar nicht wichtig; sie streben statt­dessen an, dass andere Menschen ihnen auf die Schulter klopfen und sagen: „Gut gemacht!“; sie suchen An­erkennung von ihren Mit­menschen, nicht von Gott. Auf dieses Problem ist Jesus in der Berg­predigt ein­gegangen. Er lehrte seine Jünger: „Habt Acht auf eure Frömmig­keit, dass ihr die nicht übt vor den Leuten, um von ihnen gesehen zu werden; ihr habt sonst keinen Lohn bei eurem Vater im Himmel.“ „Frömmig­keit“ ist hier in seiner ur­sprüng­lichen Bedeutung gemeint: Gutes tun, sich richtig verhalten, fleißig sein. Ein frommer Mensch wurde zu Luthers Zeiten derjenige genannt, der fleißig war und das tat, was man von ihm erwartete. Jesus lehrt uns also: Achtet darauf, dass ihr für den richtigen Chef fleißig seid, für Gott! Hütet euch davor, dass ihr eure Mit­menschen wichtiger nehmt als Gott! Hütet euch davor, dass ihr bei eurem Tun vor allem ihre An­erkennung im Blick habt! Denn wenn ihr das tut, dann dürft ihr nicht Lohn von Gott erwarten, sondern dann sollen euch doch die Menschen belohnen, für die ihr arbeitet! Wer also mit seinem Leben in erster Linie für sein Ansehen bei den Menschen arbeiten will und nicht für Gott, der missachtet seinen wahren Chef und verfehlt seinen Lebens­sinn. Er handelt wie ein Bagger­fahrer in der Sembritzki­straße, der in seiner Arbeits­zeit für die Lutheraner Rasen mäht, anstatt für die Finster­walder Bau-Union Löcher zu baggern.

Jesus fügte seiner Lehre drei Beispiele an: erstens das Almosen-Geben (also das Geld-Spenden für Be­dürftige), zweitens das Beten, drittens das Fasten. Unser Predigt­text enthält das erste Beispiel, das Almosen-Geben. Und da erkennen wir, dass die Sache im Hinblick auf Gott als Chef doch nicht ganz so einfach ist wie das Bagger­fahrer-Beispiel. Denn beim Bagger­fahrer-Beispiel geht es um zwei ganz ver­schiedene Tätig­keiten (baggern und Rasen mähen) an zwei ver­schiedenen Stellen (in der Sembritzki­straße und auf unserem Kirch­grund­stück). Beim Almosen-Geben ist aber rein äußerlich kaum zu merken, für wen der Spender da arbeitet. Er kann derselben Hilfs­organiation denselben Geldbetrag überweisen – einmal zur Ehre Gottes in Erfüllung des Gebots der Nächsten­liebe, oder zum andern, um bei seinen Mit­menschen Eindruck zu schinden. Wir sehen: Da kommt es auf die innere Ein­stellung an, mit der jemand gibt, nicht auf die Tätigkeit an sich. Wollen wir uns also die Lehre Jesu zu Herzen nehmen, dann müssen wir vor allen Dingen unsere innere Ein­stellung über­prüfen. Wir sollten immer als erstes danach fragen, ob unser Tun Gott gefällt, ob es Gott ehrt, unseren eigent­lichen Chef im Leben. Was die Leute dann von uns denken, sollte uns nicht so wichtig sein – ob sie uns bewundern, ob sie sich bei uns bedanken, ob sie gleich­gültig bleiben, ob sie über uns den Kopf schütteln, ob sie sich hinter unserm Rücken lustig machen oder ob sie gar böse mit uns sind. Wichtig ist allein, ob Gott an seinem Gerichts­tag einmal dazu sagen kann: „Gut gemacht!“ Auf diese Ein­stellung kommt es an, diese Sichtweise sollten wir uns zur Gewohnheit machen bei allem, was wir im Leben tun.

Wenn wir uns diese Ein­stellung an­gewöhnen, wird sie sich auf unser Verhalten auswirken; das zeigt sich auch an Jesu Beispiel vom Almosen-Geben, wenn wir es genau be­trachten. Denn derjenige, der von den Menschen geehrt sein will, macht aus seiner Wohltätig­keit eine Show, ein Theater. Bei der Rede­wendung „von den Leuten gesehen werden“ steht im Griechi­schen das Wort „thea­thenai“, daher kommt unser Fremdwort „Theater“. Jesus spricht von dem großen Reklame­rummel, den manche um ihre Wohltätig­keit machen: Sie lassen es auf den Straßen und in den Gottes­häusern groß aus­posaunen, was sie doch für hilfs­bereite und freigebige Leute sind. „Heuchler“ nennt Jesus sie; sie tun so, als wären sie fromm und un­eigen­nützig, aber in Wirklich­keit geht es ihnen doch nur um das eigene Ego. Lieber Christ, sieh zu, dass es bei dir nicht dazu kommt! Sei diskret in deinen guten Taten, gib nicht damit an, bilde dir auch selbst nichts auf sie ein! Tue sie selbst­verständ­lich, nahezu beiläufig – so, dass deine linke Hand keine Ahnung davon hat, welch großen Geldschein die Rechte gerade in die Kollekte geworfen hat. Das Geld­spenden an sich mag beim Heuchler und beim Gotteskind dieselbe Handlung sein, aber die Begleit­umstände zeigen an, mit welcher Ein­stellung jemand gibt.

Gott ist dein Chef, und du lebst, um ihm zu dienen – gewöhne dich an diese Ein­stellung! Wer so lebt, kann dann auch Gottes Lohn für seine Arbeit erwarten. Wer nicht so lebt, dem sagt Gott: „Mit dir bin ich quitt – sollen dich doch diejenigen belohnen, für die du lebst.“ Das ist eine klare Aussage, das ist eine klare Lehre, die Jesus uns hier vorlegt. Und trotzdem wird mancher Lutheraner hier einwenden: „Ja, ist das denn nicht Werk­gerechtig­keit? Wir werden doch allein aus Glauben gerecht, nicht als Belohnung für unsere Frömmig­keit!“

Da stelle ich die Gegen­frage: Lebst du denn so, wie Jesus hier lehrt? Arbeitest du wirklich nur für Gott, den Chef deines Lebens? Schielst du niemals nach Dank und An­erkennung von den Menschen? Gibst du nicht auch hin und wieder an mit dem, was du gut und richtig machst? Diese Gegenfrage ist die Anfrage von Gottes Gesetz an dich, und die ist ernst gemeint. Um nichts anderes handelt es sich bei dem, was Jesus in der Berg­predigt gelehrt hat: Um Gottes Gesetz. Da geht es nicht nur um ein paar Gebote, die sich äußerlich und formal leicht erfüllen lassen, sondern da geht es um den hohen Anspruch, den der Schöpfer an seine Geschöpfe hat. Da geht es darum, ihn als Herrn des Lebens wirklich ernst zu nehmen. Unter dieser Lehre zerbricht alle Selbst­gerechtig­keit, alle Zuversicht im Blick auf Gottes Gericht. Unter der Lehre von Gottes Gesetz bleibt von uns nichts als ein Häuflein armer, elender Sünder, egal ob wir Lutheraner oder Katholiken sind, egal ob Christen, Muslime oder Atheisten. Uns allen kann Gott mit Recht sagen: „Wenn ihr mich nicht als Chef anerkennt, dann denkt ja nicht, dass ich euch irgend­welchen Lohn schulde, irgend­welchen Schutz, irgend­welche Hilfe, und erst recht nicht das ewige Leben im Himmel.“ Ja, so steht es mit uns. Und wenn wir das erkennen, dann können wir Gott nur ganz demütig bitten, Gnade vor Recht ergehen zu lassen. Dann können wir Gott nur ganz demütig bitten, uns dennoch den Lohn zu geben, auch wenn wir ihn nicht verdient haben. Aber wir können mit Hoffnung bitten. Denn Jesus ist ja nicht nur in die Welt gekommen, um uns Gottes Gesetz mit seiner ganzen Schärfe und aller Konsequenz vor Augen zu halten. Jesus ist vor allem deshalb in die Welt gekommen, um Sünder selig zu machen – nicht als verdienten Lohn, sondern als Gnaden­lohn, den auch der größte Sünder als Almosen von Gott in Empfang nehmen kann, wenn er denn dessen Hilfe erbittet und auf dessen Hilfe vertraut. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2007.

Autor: Pastor Matthias Krieser

SOLI DEO GLORIA!

PREDIGTKASTEN

►  Startseite

►  Impressum