Liebe Brüder und Schwestern in Christus!
Was für ein herrlicher Segen von oben, der Regen der letzten Tage! Besonders Gartenbesitzer freuen sich über dieses schöne Gottesgeschenk, das von oben kommt. Und der Gartenbesitzer, der klug ist, hat etwas von diesem Segensregen aufgefangen in Regentonnen oder anderen Behältern. Das macht man auf der ganzen Welt so und das hat man schon immer so gemacht: Man stellt Fässer auf, Eimer, Krüge, Schüsseln und Schalen, um das Regenwasser aufzufangen. Wenn wir beten, liebe Gemeinde, dann tun wir im Prinzip dasselbe: Wir stellen die leeren Schüsseln unseres Herzens und unseres ganzen Lebens vor Gott auf bitten ihn, dass er sie mit Segen füllt. Daher kommt die alte Gebetsgeste, dass Menschen ihre Hände zu Gott erheben mit nach oben geöffneten Handflächen – wie leere Schüsseln oder Schalen, die Gott füllen möge. So heißt das Beten in der Bibel manchmal das „Aufheben der Hände“. Und so ist auch Moses Aufheben der Hände zu verstehen in der biblischen Geschichte, die wir eben gehört haben.
Auf den ersten Blick ist die Geschichte weit weg von uns. Das Volk Israel ist in der Wüste unterwegs und wird von einer Raubritterbande überfallen, den Amalekitern. Ein Verteidigungstrupp, der von Josua angeführt wird, schlägt die Amalakiter in die Flucht, untestützt von Moses Fürbitte auf einem Felsen neben dem Schlachtfeld. Ja, auf den ersten Blick liegen uns solche Kriegsgeschichten der Bibel recht fern. Aber wir sollten nicht vergessen, dass wir als Christen auch in einem Krieg stehen, in einem geistlichen Kampf nämlich. Diesem Kampf sollen wir uns mutig stellen, und das Gebet spielt darin eine entscheidende Rolle. Lasst uns also sehen, was wir von dieser alten Geschichte über unseren Glaubenskampf und über das Gebet lernen können.
Die Raubritter von damals, die Amalekiter, wollten sich an den Hebräern bereichern. Sie wollten ihnen das Gold abnehmen, das sie aus Ägypten mitgenommen hatten. Ebenfalls hatten sie es auf ihr Vieh abgesehen, auf Rinder, Esel, Ziegen und Schafe. Und letztlich wollten sie auch die Menschen unterwerfen: Sie hatten vor, die Männer zu töten, die Frauen zu vergewaltigen und die Kinder als Sklaven zu verkaufen. Die Amalekiter hatten es abgesehen auf den Besitz von Gottes Volk, auf seine Ehre, seine Freiheit und sein Leben.
Genau so hat es der Teufel mit seinem Heer auf uns abgesehen: Er will unsern Besitz rauben, unsere Ehre, unsere Freiheit und unser Leben. Dabei weiß er ganz genau, was bei uns wirklich wertvoll ist: nicht in erster Linie unser Geld und materieller Besitz, sondern unser Glaube, unser gutes Gewissen, unsere Freude, unsere Zufriedenheit, unsere Liebe und unsere gute Gemeinschaft untereinander. Deshalb greift der Teufel uns an – uns zusammen als Volk Gottes, also als Gemeinde Jesu Christi, und auch jeden einzelnen persönlich. Da schickt er seine Raubritter in den Kampf mit ihren scharfen Waffen. Er schickt den Ritter Zweifel, der uns den Glauben abjagen will. Er schickt den Ritter Zeitmangel, der uns die Mußestunden raubt, in denen wir auf Gottes Wort hören und im Gebet mit ihm reden können. Er schickt den Ritter Weltgeist, der uns von allen Seiten zusetzt: im Fernsehen, in Zeitschriften und unter Freunden. Der Ritter Weltgeist will uns weismachen, dass in unserer Welt ganz andere Dinge wichtig sind als Gott. Der Teufel schickt auch den Ritter Angst in unsere Gemeinde, sodass wir nicht mehr in der Lage sind, offen und vetrauensvoll wie Brüder und Schwestern miteinander umzugehen. Er schickt den Ritter Gleichgültigkeit in unsere Gemeinde, sodass viele sich nicht mehr um ihre Glaubensgeschwister kümmern und darum, was der Herr uns hier schenken will. Er schickt den Ritter Mutlosigkeit, der uns alle Zuversicht und Hoffnung rauben und nur noch den traurigen Eindruck hinterlassen will, dass alles bergab geht und zerfällt. Ja, so greift uns der Teufel mit seiner Bande von allen Seiten an und will uns besiegen, damit wir am Ende das Kostbarste verlieren, was wir besitzen: das ewige Leben, die Seligkeit unserer Seelen.
Achten wir nun darauf, wie die Geschichte mit den Amalekitern weiterging. Es ist keineswegs so, dass Mose nun einfach anfing zu beten – unter dem Motto: Da können wir nichts machen, da hilft nur noch beten. Nein, Mose nahm seine Verantwortung als Regierungschef sehr ernst. Er beauftragte Josua, den Oberbefehlshaber seiner Streitkräfte, schnell ein Heer zusammenzustellen und das Volk gegen die Amalekiterbande zu verteidigen. Auch Josua tat seine Pflicht, ebenso die Soldaten: Mutig stellten sie sich dem Kampf.
Dasselbe erwartet Gott von uns in unserem geistlichen Kampf und überhaupt in unserem Leben. Wir sollen erkennen, wo wir Verantwortung tragen und aktiv werden können, und da sollen wir dann auch zupacken. Wenn uns zum Beispiel der Ritter Zeitnot angreift, dann müssen wir versuchen, eine bessere Zeiteinteilung zu finden. Wir müssen fest einplanen, dass wir Zeit haben für die Menschen, die uns anvertraut sind, für unsere Gemeinde und auch für Gott. Und wenn wir uns in unserer Gemeinde jetzt ein Jahr des Aufräumens vorgenommen haben, dann geschieht das ebenfalls in dem Bewusstsein: Gott will, dass wir das, was nötig ist, tatkräftig anpacken. Dazu gehört, dass wir uns nicht mit nutzlosem Marschgepäck abschleppen, sondern dass das Nötige gut geordnet und in gutem Zustand ist. Aktiv sollen wir sein, verantwortlich sollen wir handeln – sowohl in der Gemeinde als auch im persönlichen Leben, sowohl im geistlichen Kampf als auch in den Belangen dieser Welt.
Das Gebet muss freilich hinzutreten. Darum stiegen beim Kampf gegen die Amalekiter die drei alten Männer Mose, Aaron und Hur auf einen Berg neben dem Schlachtgetümmel. Mose hob die Hände zum Himmel und betete dafür, dass es gelingen möge, die Feinde in die Flucht zu schlagen. Und solange Mose betete, sah die Sache gut aus: Josua und seine Männer konnten die Feinde zurückdrängen. Das Problem war nur, dass Mose schwach und müde wurde. Eine Stunde beten, zwei Stunden beten, mit erhobenen Händen – das ist eine gewaltige Anstrengung! Er ließ die Hände sinken, machte eine Gebetspause. Und da mussten die drei alten Männer erschreckt feststellen, dass auch die Soldaten unten ermüdeten und von den Räubern zurückgedrängt wurden. Erst als Mose wieder zu beten begann, wendete sich das Blatt. So ging es ein paarmal hin und her. Gott zeigte damit: Nicht menschliche Stärke und militärisches Geschick bringen den Sieg, sondern Gott allein – wenn er darum gebeten wird. Und nun ist es köstlich zu sehen, wie erfinderisch die alten Männer wurden und wie sie gemeinschaftlich eine Lösung für das Ermüdungsproblem fanden: Sie holten einen Stein als Sitzgelegenheit für Mose herbei und stützten rechts und links seine wie leere Schalen zum Himmel erhobenen Hände, sodass er trotz der Ermüdung weiterbeten konnte und die Amalekiter schließlich endgültig in die Flucht geschlagen wurden.
So soll auch unser Beten unser Tun begleiten. Auch wir sollen wissen: Alle Mühe und Anstrengung ist vergeblich, aller Kampf ist von vornherein verloren, wenn wir nicht Gott darum bitten, dass er Gelingen und Sieg schenkt. Es wäre wie bei einem Gärtner, der mit großem Fleiß gräbt und jätet und pflanzt und düngt, dem aber das Wasser fehlt. Wir müssen die leeren Gefäße unseres Herzens und unseres Lebens im Gebet vor Gott aufstellen, dass er sie mit Segen füllt. Und wir sehen an Mose: Beten ist Anstrengung, beten ist Arbeit, beten ermüdet. Der geistliche Kampf im Gebet erfordert ebensoviel Kraft wie der tatkräftige Kampf auf dem Schlachtfeld des Lebens. Er ist auch ebenso nötig, denn ohne die Gebetsarbeit ist jede andere Arbeit vergeblich. Ohne die Gebetsarbeit sind wir dem Teufel und seinen Raubrittern hilflos ausgeliefert. Ohne Gebetsarbeit schafft es der Teufel im Handumdrehen, unseren Glauben kaputt zu machen, ebenso unsere Hoffnung, unsere Freude, unsere Liebe, unsere christliche Gemeinschaft und das ewige Heil unserer Seele. Unzählige Christen jammern und klagen darüber, wie schwach und angefochten ihr Glaube ist, ja, dass sie manchmal gar nichts mehr von ihrem Glauben merken. Es ist so, wie wenn die Amalekiter bei ihrem Angriff auf die Hebräer die Oberhand haben. Da muss dann gebetet werden, gefleht, geistlich gerungen: „Herr, ich glaube, hilf meinem Unglauben!“ Da müssen dann die leeren Herzensschalen vor Gott immer wieder neu aufgestellt werden, dass er sie mit seinem Geist füllt. Gottes Wort enthält eine Fülle von Aufforderungen dazu: „Betet ohne Unterlass!“; „Haltet an am Gebet!“; „Seid beharrlich im Gebet!“; „Wachet und betet, dass ihr nicht in Anfechtung fallt!“ Und wenn dann doch einer zu müde wird im Gebetsleben, wenn es einfach nicht mehr geht, dann sind da noch die Mitchristen, die helfen können. Sie können mitbeten, Fürbitte tun und zum Weiterbeten ermuntern. Auch wenn wir gemeinsam im Gottesdienst beten, dann tun wir ja nichts anderes, als dass wir uns gegenseitig bei der Gebetsarbeit helfen: Wir haben hier mit diesem Gotteshaus den Stein, auf den wir uns beim Beten stützen können, und wir greifen uns hilfreich unter die Arme, indem wir hier miteinander und füreinander beten.
Josua und seine Männer schlugen die Amalekiter in die Flucht. Man könnte meinen, damit ist die Geschichte zuende. Ist sie aber nicht. Gott trägt Mose auf, die ganze Sache aufzuschreiben. Wie gut, dass Mose gehorcht hat, sonst wüssten wir heute nichts mehr davon. Gott sagte zu Mose: „Schreibe dies zum Gedächtnis auf!“ Gottes Volk sollte sich künftig an diese Begebenheit erinnern, an sie denken. Sie sollten nicht vergessen: Dieser Sieg wurde nicht nur durch den kämpfenden Josua auf dem Schlachtfeld gewonnen, sondern auch durch den betenden Mose auf dem Berg. Dieser Sieg ist nicht Menschentun, sondern Gottes Tun. Aus den Daran-Denken floss dann das Danken. Mose baute einen Altar für ein Dankopfer und nannte diesen Altar: „Der HERR mein Feldzeichen“ – also noch ein Erinnerungszeichen dafür, dass der Sieg auf Gottes Konto ging!
Lasst auch uns nicht vergessen bei aller Arbeit im Lebenskampf und im Glaubenskampf und im Gebet, wie Gott uns immer wieder geholfen hat, und lasst uns ihm von Herzen dafür danken. Nicht nur mit Dankgebeten, sondern auch, indem wir unser ganzes Leben zu einem Dankopfer für ihn machen – jeder für sich in seinem Alltag, aber auch zusammen in der christlichen Gemeinde. Denn wenn Gott dem Gärtner das leere Regenfass füllt aus lauter Güte und Barmherzigkeit, wenn er es in unseren Gärten blühen und sprießen lässt – wer wollte ihm da nicht danken? Amen.
PREDIGTKASTEN |