Beten heißt Gott siegen lassen

Predigt über 2. Mose 17,8‑15 zum Sonntag Rogate

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Was für ein herrlicher Segen von oben, der Regen der letzten Tage! Besonders Garten­besitzer freuen sich über dieses schöne Gottes­geschenk, das von oben kommt. Und der Garten­besitzer, der klug ist, hat etwas von diesem Segensregen aufgefangen in Regentonnen oder anderen Behältern. Das macht man auf der ganzen Welt so und das hat man schon immer so gemacht: Man stellt Fässer auf, Eimer, Krüge, Schüsseln und Schalen, um das Regenwasser auf­zufangen. Wenn wir beten, liebe Gemeinde, dann tun wir im Prinzip dasselbe: Wir stellen die leeren Schüsseln unseres Herzens und unseres ganzen Lebens vor Gott auf bitten ihn, dass er sie mit Segen füllt. Daher kommt die alte Gebets­geste, dass Menschen ihre Hände zu Gott erheben mit nach oben geöffneten Handflächen – wie leere Schüsseln oder Schalen, die Gott füllen möge. So heißt das Beten in der Bibel manchmal das „Aufheben der Hände“. Und so ist auch Moses Aufheben der Hände zu verstehen in der biblischen Geschichte, die wir eben gehört haben.

Auf den ersten Blick ist die Geschichte weit weg von uns. Das Volk Israel ist in der Wüste unterwegs und wird von einer Raubritter­bande überfallen, den Amale­kitern. Ein Ver­teidigungs­trupp, der von Josua angeführt wird, schlägt die Amalakiter in die Flucht, untestützt von Moses Fürbitte auf einem Felsen neben dem Schlacht­feld. Ja, auf den ersten Blick liegen uns solche Kriegs­geschichten der Bibel recht fern. Aber wir sollten nicht vergessen, dass wir als Christen auch in einem Krieg stehen, in einem geistlichen Kampf nämlich. Diesem Kampf sollen wir uns mutig stellen, und das Gebet spielt darin eine ent­scheidende Rolle. Lasst uns also sehen, was wir von dieser alten Geschichte über unseren Glaubens­kampf und über das Gebet lernen können.

Die Raubritter von damals, die Amalekiter, wollten sich an den Hebräern bereichern. Sie wollten ihnen das Gold abnehmen, das sie aus Ägypten mitgenommen hatten. Ebenfalls hatten sie es auf ihr Vieh abgesehen, auf Rinder, Esel, Ziegen und Schafe. Und letztlich wollten sie auch die Menschen unter­werfen: Sie hatten vor, die Männer zu töten, die Frauen zu ver­gewaltigen und die Kinder als Sklaven zu verkaufen. Die Amalekiter hatten es abgesehen auf den Besitz von Gottes Volk, auf seine Ehre, seine Freiheit und sein Leben.

Genau so hat es der Teufel mit seinem Heer auf uns abgesehen: Er will unsern Besitz rauben, unsere Ehre, unsere Freiheit und unser Leben. Dabei weiß er ganz genau, was bei uns wirklich wertvoll ist: nicht in erster Linie unser Geld und materieller Besitz, sondern unser Glaube, unser gutes Gewissen, unsere Freude, unsere Zufrieden­heit, unsere Liebe und unsere gute Ge­meinschaft unter­einander. Deshalb greift der Teufel uns an – uns zusammen als Volk Gottes, also als Gemeinde Jesu Christi, und auch jeden einzelnen persönlich. Da schickt er seine Raubritter in den Kampf mit ihren scharfen Waffen. Er schickt den Ritter Zweifel, der uns den Glauben abjagen will. Er schickt den Ritter Zeitmangel, der uns die Mußestunden raubt, in denen wir auf Gottes Wort hören und im Gebet mit ihm reden können. Er schickt den Ritter Weltgeist, der uns von allen Seiten zusetzt: im Fernsehen, in Zeit­schriften und unter Freunden. Der Ritter Weltgeist will uns weismachen, dass in unserer Welt ganz andere Dinge wichtig sind als Gott. Der Teufel schickt auch den Ritter Angst in unsere Gemeinde, sodass wir nicht mehr in der Lage sind, offen und vetrauens­voll wie Brüder und Schwestern miteinander umzugehen. Er schickt den Ritter Gleich­gültigkeit in unsere Gemeinde, sodass viele sich nicht mehr um ihre Glaubens­geschwister kümmern und darum, was der Herr uns hier schenken will. Er schickt den Ritter Mut­losigkeit, der uns alle Zuversicht und Hoffnung rauben und nur noch den traurigen Eindruck hinter­lassen will, dass alles bergab geht und zerfällt. Ja, so greift uns der Teufel mit seiner Bande von allen Seiten an und will uns besiegen, damit wir am Ende das Kostbarste verlieren, was wir besitzen: das ewige Leben, die Seligkeit unserer Seelen.

Achten wir nun darauf, wie die Geschichte mit den Amalekitern weiterging. Es ist keineswegs so, dass Mose nun einfach anfing zu beten – unter dem Motto: Da können wir nichts machen, da hilft nur noch beten. Nein, Mose nahm seine Ver­antwortung als Regierungs­chef sehr ernst. Er beauftragte Josua, den Oberbefehls­haber seiner Streit­kräfte, schnell ein Heer zusammen­zustellen und das Volk gegen die Amalekiter­bande zu ver­teidigen. Auch Josua tat seine Pflicht, ebenso die Soldaten: Mutig stellten sie sich dem Kampf.

Dasselbe erwartet Gott von uns in unserem geistlichen Kampf und überhaupt in unserem Leben. Wir sollen erkennen, wo wir Ver­antwortung tragen und aktiv werden können, und da sollen wir dann auch zupacken. Wenn uns zum Beispiel der Ritter Zeitnot angreift, dann müssen wir versuchen, eine bessere Zeit­einteilung zu finden. Wir müssen fest einplanen, dass wir Zeit haben für die Menschen, die uns anvertraut sind, für unsere Gemeinde und auch für Gott. Und wenn wir uns in unserer Gemeinde jetzt ein Jahr des Aufräumens vorgenommen haben, dann geschieht das ebenfalls in dem Bewusst­sein: Gott will, dass wir das, was nötig ist, tatkräftig anpacken. Dazu gehört, dass wir uns nicht mit nutzlosem Marsch­gepäck ab­schleppen, sondern dass das Nötige gut geordnet und in gutem Zustand ist. Aktiv sollen wir sein, ver­antwortlich sollen wir handeln – sowohl in der Gemeinde als auch im per­sönlichen Leben, sowohl im geistlichen Kampf als auch in den Belangen dieser Welt.

Das Gebet muss freilich hin­zutreten. Darum stiegen beim Kampf gegen die Amalekiter die drei alten Männer Mose, Aaron und Hur auf einen Berg neben dem Schlacht­getümmel. Mose hob die Hände zum Himmel und betete dafür, dass es gelingen möge, die Feinde in die Flucht zu schlagen. Und solange Mose betete, sah die Sache gut aus: Josua und seine Männer konnten die Feinde zurück­drängen. Das Problem war nur, dass Mose schwach und müde wurde. Eine Stunde beten, zwei Stunden beten, mit erhobenen Händen – das ist eine gewaltige An­strengung! Er ließ die Hände sinken, machte eine Gebets­pause. Und da mussten die drei alten Männer erschreckt fest­stellen, dass auch die Soldaten unten ermüdeten und von den Räubern zurück­gedrängt wurden. Erst als Mose wieder zu beten begann, wendete sich das Blatt. So ging es ein paarmal hin und her. Gott zeigte damit: Nicht menschliche Stärke und mili­tärisches Geschick bringen den Sieg, sondern Gott allein – wenn er darum gebeten wird. Und nun ist es köstlich zu sehen, wie erfinde­risch die alten Männer wurden und wie sie gemeinschaft­lich eine Lösung für das Ermüdungs­problem fanden: Sie holten einen Stein als Sitz­gelegenheit für Mose herbei und stützten rechts und links seine wie leere Schalen zum Himmel erhobenen Hände, sodass er trotz der Ermüdung weiterbeten konnte und die Amalekiter schließlich endgültig in die Flucht geschlagen wurden.

So soll auch unser Beten unser Tun begleiten. Auch wir sollen wissen: Alle Mühe und Anstrengung ist vergeblich, aller Kampf ist von vornherein verloren, wenn wir nicht Gott darum bitten, dass er Gelingen und Sieg schenkt. Es wäre wie bei einem Gärtner, der mit großem Fleiß gräbt und jätet und pflanzt und düngt, dem aber das Wasser fehlt. Wir müssen die leeren Gefäße unseres Herzens und unseres Lebens im Gebet vor Gott aufstellen, dass er sie mit Segen füllt. Und wir sehen an Mose: Beten ist An­strengung, beten ist Arbeit, beten ermüdet. Der geistliche Kampf im Gebet erfordert ebensoviel Kraft wie der tatkräftige Kampf auf dem Schlacht­feld des Lebens. Er ist auch ebenso nötig, denn ohne die Gebets­arbeit ist jede andere Arbeit vergeblich. Ohne die Gebets­arbeit sind wir dem Teufel und seinen Raubrittern hilflos aus­geliefert. Ohne Gebets­arbeit schafft es der Teufel im Hand­umdrehen, unseren Glauben kaputt zu machen, ebenso unsere Hoffnung, unsere Freude, unsere Liebe, unsere christliche Gemein­schaft und das ewige Heil unserer Seele. Unzählige Christen jammern und klagen darüber, wie schwach und angefochten ihr Glaube ist, ja, dass sie manchmal gar nichts mehr von ihrem Glauben merken. Es ist so, wie wenn die Amalekiter bei ihrem Angriff auf die Hebräer die Oberhand haben. Da muss dann gebetet werden, gefleht, geistlich gerungen: „Herr, ich glaube, hilf meinem Unglauben!“ Da müssen dann die leeren Herzens­schalen vor Gott immer wieder neu aufgestellt werden, dass er sie mit seinem Geist füllt. Gottes Wort enthält eine Fülle von Auf­forderungen dazu: „Betet ohne Unter­lass!“; „Haltet an am Gebet!“; „Seid beharrlich im Gebet!“; „Wachet und betet, dass ihr nicht in Anfechtung fallt!“ Und wenn dann doch einer zu müde wird im Gebets­leben, wenn es einfach nicht mehr geht, dann sind da noch die Mit­christen, die helfen können. Sie können mitbeten, Fürbitte tun und zum Weiterbeten ermuntern. Auch wenn wir gemeinsam im Gottes­dienst beten, dann tun wir ja nichts anderes, als dass wir uns gegenseitig bei der Gebets­arbeit helfen: Wir haben hier mit diesem Gotteshaus den Stein, auf den wir uns beim Beten stützen können, und wir greifen uns hilfreich unter die Arme, indem wir hier miteinander und füreinander beten.

Josua und seine Männer schlugen die Amalekiter in die Flucht. Man könnte meinen, damit ist die Geschichte zuende. Ist sie aber nicht. Gott trägt Mose auf, die ganze Sache auf­zuschreiben. Wie gut, dass Mose gehorcht hat, sonst wüssten wir heute nichts mehr davon. Gott sagte zu Mose: „Schreibe dies zum Gedächtnis auf!“ Gottes Volk sollte sich künftig an diese Begebenheit erinnern, an sie denken. Sie sollten nicht vergessen: Dieser Sieg wurde nicht nur durch den kämpfenden Josua auf dem Schlacht­feld gewonnen, sondern auch durch den betenden Mose auf dem Berg. Dieser Sieg ist nicht Menschen­tun, sondern Gottes Tun. Aus den Daran-Denken floss dann das Danken. Mose baute einen Altar für ein Dankopfer und nannte diesen Altar: „Der HERR mein Feld­zeichen“ – also noch ein Erinnerungs­zeichen dafür, dass der Sieg auf Gottes Konto ging!

Lasst auch uns nicht vergessen bei aller Arbeit im Lebenskampf und im Glaubens­kampf und im Gebet, wie Gott uns immer wieder geholfen hat, und lasst uns ihm von Herzen dafür danken. Nicht nur mit Dank­gebeten, sondern auch, indem wir unser ganzes Leben zu einem Dankopfer für ihn machen – jeder für sich in seinem Alltag, aber auch zusammen in der christ­lichen Gemeinde. Denn wenn Gott dem Gärtner das leere Regenfass füllt aus lauter Güte und Barmherzig­keit, wenn er es in unseren Gärten blühen und sprießen lässt – wer wollte ihm da nicht danken? Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2007.

Autor: Pastor Matthias Krieser

SOLI DEO GLORIA!

PREDIGTKASTEN

►  Startseite

►  Impressum