Der Ostersieg

Predigt über Psalm 118,15‑18 zum Ostersonntag

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Ostern ist ein Siegesfest. „Man singt mit Freuden vom Sieg“, heißt es in unserm Predigt­text, und: „Die Rechte des Herrn behält den Sieg.“ Wer darauf achtet, wird auch sonst in den Liedern und in der Liturgie der Oster­gottes­dienste immer wieder das Wort „Sieg“ finden. Ostern ist eine Siegesfeier – so wie wir heute Sieges­feiern vom Sport her kennen. Bei einem Sieg gibt es einen Sieger, einen oder mehrere Besiegte und viele Mit-Sieger, die zusammen mit dem Sieger feiern. Da hat zum Beispiel ein Speerwerfer im Wettkampf gesiegt. Die anderen, die nicht so weit geworfen haben wie er, sind die Besiegten. Mit-Sieger sind in diesem Fall die Mannschafts­kameraden und die Freunde des Siegers. Wenn es sich um eine Leicht­athletik-Welt­meister­schaft oder um die Olympischen Spiele handelt, dann fühlt sich sogar die ganze Nation des Siegers als Mit-Sieger, etwa unter dem Motto: „Deutsch­land hat wieder eine Gold­medaille bekommen!“ Lasst uns nun den Ostersieg einmal nach diesen drei Gesichts­punkten betrachten, denn auch beim Ostersieg gibt es erstens einen Sieger, zweitens Besiegte, drittens Mit-Sieger.

Achten wir erstens auf den Sieger. Er heißt Jesus Christus. Die Auf­erstehung von den Toten ist sein Triumpf. „Man singt mit Freuden vom Sieg“ – wenn wir vom Ostersieg singen, dann singen wir vom Herrn Jesus Christus und davon, wie er die Mächte der Finsternis überwunden hat. Immer und immer wieder erzählen wir uns von seinem siegreichen Kampf, führen ihn uns in allen Einzel­heiten vor Augen – so, wie man im Fernsehen die ent­scheidenden Phasen eines Wettkampfs immer wieder einspielt, oft auch in Zeitlupe. Im Psalm heißt es: „Die Rechte des Herrn ist erhöht! Die Rechte des Herrn behält den Sieg!“ Die Rechte steht hier für den ganzen Mann, so wie der Speerwerfer mit seinem starken rechten Arm den ent­scheidenden siegreichen Wurf getan hat. Aber an dieser Stelle muss ich eure Blicke noch einmal auf unser Altarbild richten, wie ich es schon am Karfreitag getan habe. Da fällt auf, dass Jesu rechte Hand, die den Herrscher­stab hält, besonders schmal und schwach abgebildet wurde. Seht, das ist das Besondere am Ostersieg: Jesus hat nicht durch die Stärke seiner Rechten gesiegt, sondern im Gegenteil, durch die Schwachheit seine Rechten. Durch Schwachheit hat er den Ostersieg errungen, durch Leiden und Sterben, durch scheinbares Unter­liegen. Damit unter­scheidet sich der Ostersieg von allem, was wir sonst auf der Welt an Siegen kennen. Da merken wir Gottes Hand­schrift: Nicht mit körper­licher Kraft hat Jesus gesiegt, nicht mit über­ragender Intelli­genz, nicht mit Waffen­gewalt, nicht mit politischer Macht, nicht mit der Macht des Geldes, sondern durch Schwach­sein, Stille-Sein, Ausharren, Leiden. Jesus verdiente einen Eintrag ins Guinness-Buch der Rekorde als schwächster Sieger aller Zeiten! Und das ist nicht der einzige Eintrag, den er verdiente. Jesus ist zugleich auch der mächtigste Sieger aller Zeiten, denn sein Sieg ist die Erlösung der ganzen Menschheit – das hat sonst keiner geschafft. Jesus ist auch der älteste Sieger aller Zeiten, denn bereits ehe es unsere Welt gab, war er schon da, der Gottessohn, beim Vater in Ewigkeit. Und Jesus ist schließlich der liebe­vollste Sieger aller Zeiten: Bei seinem Ostersieg ging es ihm nicht um Ruhm und Ehre für sich selbst, sondern es ging ihm um uns Menschen, um dich und mich, um jeden Einzelnen von uns. Was für ein Sieger! „Die Rechte des Herrn ist erhöht! Die Rechte des Herrn behält den Sieg!“

Achten wir zweitens auf die Besiegten beim Ostersieg. Da müssen wir an allererster Stelle den Tod nennen. Das ist offen­sichtlich: Der Tod hat zu Ostern verloren, er ist ge­scheitert, er konnte Jesus nicht im Grab festhalten. So passen die pro­phetischen Psalmworte zum Ostersieger Jesus Christus: „Ich werde nicht sterben, sondern leben und des HERRN Werke ver­kündigen. Der Herr züchtigt mich schwer, aber er gibt mich dem Tode nicht preis.“ Nun denkt man bei einer Siegesfeier ja normaler­weise nicht an die Besiegten. Aber in diesem Fall lohnt es sich schon, ein paar Gedanken auf den Tod zu verwenden. Denn wenn wir nach der Bibel gehen, dann ist der Tod mehr als das Ende des Lebens in dieser Welt. Der Tod ist der Feind allen Lebens; er macht endgültig kaputt, was Gott geschaffen hat. Das Endgültige, das ist das Charakte­ristische beim Tod. Das merken wir bereits, wenn wir noch am Leben sind. Jeder endgültige Abschied ist ein kleines Sterben. Wer sich zum Beispiel nach lang­jähriger Berufs­tätigkeit vom vertrauten Arbeits­platz in den Ruhestand ver­abschiedet, der merkt das. Auch wenn Beziehungen zwischen Menschen endgültig zerbrechen, ist das ein kleiner Tod, wenn Freunde sich un­versöhnlich zerstritten haben, oder wenn Ehepartner auseinander gehen. Aus­drücklich redet die Bibel auch vom Tod, wenn die Beziehung zwischen Gott und einem Menschen endgültig zerbrochen ist. Dieser geistliche Tod führt zur endgültigen Gottes­ferne, genannt Hölle und Verdammnis. Es ist die logische Folge unserer Sünde, unserer selbst­verschulde­ten Entfremdung von Gott. Und es ist das klare Ziel des Teufels, uns für immer von Gott zu entfremden; da ist ihm kein Trick zu fies und kein Weg zu hinter­listig, um uns dahin zu bringen. Aber nun hat Jesus den Tod besiegt, und mit ihm die Sünde, und mit ihr den Teufel. Sünde, Tod, Hölle und Teufel – dass sind die Besiegten beim Ostersieg. Besiegt heißt freilich nicht, dass es Tod, Sünde und Teufel nun nicht mehr gäbe. Die Besiegten sind durchaus noch vorhanden. Aber sie haben nun keine Macht mehr, sie behalten nicht mehr die Oberhand, denn die „die Rechte des Herrn ist erhöht, die Rechte des Herrn behält den Sieg.“ Was bedeutet das praktisch? Es bedeutet, dass jeder Mensch immer noch sterben muss – aber der Tod hat nichts Endgültiges mehr. Vielmehr folgt wegen Jesu Auf­erstehung auch für uns die Auf­erstehung von den Toten. Gott lässt uns zwar noch den Tod schmecken, aber er gibt uns dem Tod nicht preis! Und ebenso ist es mit dem Teufel und der Sünde: Der Teufel versucht immer noch, uns zu überlisten, aber Christus setzt etwas dagegen und gibt uns die Kraft des Heiligen Geistes, dass wir der Versuchung widerstehen können. Und wenn wir dann trotzdem noch manchmal sündigen, dann wissen wir, dass die Sünde uns nicht endgültig von Gott trennen kann, dass sie nicht den geistlichen Tod nach sich zieht, die ewige Verdammnis. Denn Christus, der Oster­sieger, vergibt uns die Sünden, sodass wir mit Gott immer wieder neu anfangen dürfen. Wir müssen zwar noch hin und wieder die bitteren Folgen von Sünde und Tod schmecken, aber das heißt nicht, dass der Tod den Sieg behält, sondern es handelt sich vielmehr um eine Erziehungs­maßnahme Gottes, damit wir nicht vergessen, wie schlimm die Sünde ist, und damit wir wissen, wem wir vertrauen müssen, wenn wir die Sünde überwinden wollen. „Der Herr züchtigt mich schwer, aber er gibt mich dem Tode nicht preis“, heißt es in unserem Psalmwort.

Damit sind wir nun schon unversehens beim dritten Teil der Predigt, nämlich bei uns selbst, bei den Mit-Siegern. Auch wir kommen in dem Psalmtext aus­drücklich vor, und zwar unter der Bezeichnung „Gerechte“: „Man singt mit Freuden vom Sieg in den Hütten der Gerechten.“ Die Mit-Sieger jubeln über den Sieg und freuen sich mit dem Sieger. Das geschieht unter Gesang, auch heute, hier in diesem Gottes­dienst. Gerechte sind wir, weil Jesus uns mit seinem Ostersieg seine Gerechtig­keit schenkt; er macht uns gerecht und richtig vor Gott; unsere Sünden zählen nicht mehr. Gerechte sind wir, Gerecht­fertigte, Heilige – nicht wegen uns selbst, sondern wegen Jesus, dem Sieger! Und da merken wir, dass wir in noch viel größerem Maße Mit-Sieger sind als die Mit-Sieger bei einem sportlichen Wettkampf. Die Mit-Sieger bei einem sportlichen Wettkampf freuen sich zwar mit dem Sieger und feiern mit ihm, aber der Sieg gehört doch letztlich allein dem Sieger. Das ist bei Jesus anders: Er schenkt uns Anteil an seinem Sieg. Er macht, dass wir regelrechte Nutznießer seines Sieges sind. Das bedeutet: Wir freuen uns nicht nur mit Jesus, dass er zu Ostern den Tod besiegt hat, sondern wir haben mit Jesus auch selbst den Tod besiegt. Wir freuen uns nicht nur, dass Jesus von den Toten auf­erstanden ist, sondern wir vertrauen darauf, dass auch wir von den Toten auferstehen und in Gottes herrliche neue Welt gehen werden. Und darum gelten die pro­phetischen Worte des Psalms, die zum Sieger Jesus gehören, ebenso auch für uns: „Ich werde nicht sterben, sondern leben und des HERRN Werke ver­kündigen. Der HERR züchtigt mich schwer, aber er gibt mich dem Tode nicht preis.“ Genau das meinen wir auch, wenn wir sagen, wir folgen Jesus nach: Wir gehören zu ihm und nehmen teil an seinem Sieg. Es ist so wie bei einem Tanden-Fallschirm­absprung: Da wird ein Passagier, der selbst nicht Fallschirm springen kann, mit einem erfahrenen Fallschirm­springer zusammen­geschnallt, beide springen dann aus dem Flugzeug ab, der Fallschirm­springer öffnet und steuert den Schirm, und beide landen wohl­behalten auf der Erde. So springen wir mit Jesus und landen sicher mit ihm, weil er der Sieger ist. Freilich sind wir noch nicht endgültig gelandet; wie gesagt, Tod, Teufel und Sünde können uns noch sehr viel Angst machen, auch wenn sie schon verloren haben. Darum redet der Psalm bewusst von den „Hütten“ der Gerechten. Eigentlich steht da sogar etwas von den „Zelten“ der Gerechten. In Hütten oder Zelten leben Menschen, die unterwegs sind, die sich's noch nicht auf Dauer ein­gerichtet haben. So ist ja unser Leben in dieser Welt: Wir sind Reisende, Nomanden, Zelt­bewohner; wir sind unterwegs zu Gottes festem Haus. Darum singen wir vom Ostersieg noch in Hütten und Zelten. Aber wir singen mit Freuden, weil wir wissen: Einst singen wir unsern Osterjubel in den festen Häusern des himmlischen Jerusalems, in Gottes herrlicher neuer Welt, wo gar nichts mehr erinnern wird an die Besiegten Tod, Sünde und Teufel, sondern wo der Glanz des Siegers Jesus Christus alles andere über­strahlen wird. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2007.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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