Asche, Buße und Passionszeit

Predigt über Jona 3 zum Aschermittwoch

Verlesener Text: Jona 3,6‑10

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Müll­entsorgung ist heutzutage eine kompli­zierte Wissen­schaft, aber das Grund­problem ist dasselbe wie vor ein paar tausend Jahren: Wohin mit dem, was wir nicht mehr brauchen? Wohin mit Abfall, mit wertlosem Kram, mit unreinen Stoffen? Zu biblischen Zeiten entsorgte jeder seinen Müll selbst in Abfall­gruben außerhalb der Wohn­gebiete. Damals hatte man allerdings kaum Verpackungs­müll, und Bio-Abfälle wurden zum großen Teil verbrannt fürs Heizen und Kochen. Deshalb bestand der Müllberg draußen vor der Stadt vor allem aus Asche. Diese Müll-Asche war damals der Inbegriff alles Schmutzi­gen, Unreinen, Unwerten, Unwürdigen. Wenn nun ein Mensch sich seiner Schuld vor Gott bewusst wurde, dann ging er zum Müllberg, setzte sich mitten in die Asche und bestreute sich damit. Mit dieser Zeichen­handlung brachte er zum Ausdruck: Seht her, ich bin so schmutzig, so unrein, so unwert und so unwürdig wie dieser Müll! Daher wurde das Bestreuen mit Asche zum Sinnbild für Reue und Buße. Und aus diesem Grund gibt es noch heute in vielen Kirchen­gemeinden die Sitte, sich am ersten Tag der Passions­zeit im Gottes­dienst ein Asche­zeichen an die Stirn zu machen. Von daher hat der Ascher­mittwoch seinen Namen.

Und von daher passt auch die Buß- und Asche­geschichte aus der Stadt Ninive zum heutigen Tag. Dass Jona sich nicht gleich mit Be­geisterung von Gott senden ließ, sondern zunächst vor dem Auftrag zu fliehen versuchte, ist allgemein bekannt, auch, auf welch merkwürdige Weise Gott ihn zurückholte – die Sache mit dem Seesturm und dem großen Meerestier. Bei seiner zweiten Be­auftragung leistet Jona keinen Widerstand mehr, sondern zieht los nach Ninive, geht tagelang in der Stadt umher und sagt den Menschen auf den Straßen und Plätzen: „In vierzig Tagen ist Schluss hier. Ihr seid viel zu böse, darum wird Gott die Stadt zerstören, und ihr werdet alle umkommen.“ Und wie reagieren die Bewohner von Ninive? Lachen sie ihn aus? Werden sie wütend? Hören sie einfach nicht hin? Nichts von alledem! Es ist höchst erstaun­lich, aber es ist wahr: Sie glauben der Predigt. Sie nehmen die Worte ernst. Sie er­schrecken. Und sie überlegen sich: „Wenn Gott unsern Untergang beschlossen hat, können wir eigentlich nichts machen. Wir können ihn höchstens bitten, Gnade vor Recht ergehen zu lassen. Und wir können uns ganz ernsthaft vornehmen, uns zu bessern. Vielleicht überlegt Gott es sich dann noch einmal, vielleicht lässt er uns dann am Leben.“ Und so kommt es, dass die Riesen­metropole Ninive sich zu einer großen und einzig­artigen Bußaktion anschickt. Der König geht mit gutem Beispiel voran. Er legt seinen kostbaren Purpur­mantel und all die anderen Zeichen seiner Herrscher­würde ab und bekleidet sich mit einem billigen Gewand aus Sacktuch, wie es die Sklaven tragen. Sein Hofstaat macht es ihm nach. Und so ziehen sie in langer Buß­prozession zur nächsten Müllgrube. Dort angekommen, setzt sich der König höchst­persönlich als Erster mitten in die Asche. Sonst pflegte er auf seinem Thron zu sitzen und mächtig zu sein, jetzt sitzt er in der Asche, klein und ohnmächtig vor Gott. Sonst erstrahlte er im Glanz seiner Königs­würde, jetzt macht er sich vor Gott schmutzig und unrein. Er bringt damit zum Ausdruck: Ich habe Gott mit meiner Bosheit beleidigt; ich bin unwürdig vor ihm; ich bin es nicht wert weiterzuleben; ich habe Gottes Straf­gericht verdient. Was für ein König! Solche Staats­männer sind selten! Aber er tut nicht nur für sich selbst Buße, sondern er bleibt seiner Ver­antwortung für die ganze Stadt treu. Er lässt auch seine Minister sich in die Asche setzen und Buße tun, und er verfügt für alle Bewohner der Stadt eine große Bußaktion: Alle sollen sich mit Sack­gewändern kleiden und fasten. Auch das Fasten ist ein Zeichen der Buße. Aber es sollte nicht bei diesen äußeren Zeichen bleiben. Beten sollen sie alle, so verfügt es der König, und bessern sollen sie sich. Im Aufruf des Königs von Ninive heißt es: „Sie sollen zu Gott rufen mit Macht. Und ein jeder bekehre sich von seinem bösen Wege und vom Frevel seiner Hände!“ Was für ein König, der sein Volk zum Beten und zur Buße aufruft! Solche Staats­männer sind selten! Und Gott, der ja viel lieber barmherzig ist als zornig, der lässt sich erweichen, der vergibt die Schuld, der streicht Ninive von der Abschuss­liste. Wir lesen im Buch Jona: „Als Gott ihr Tun sah, wie sie sich bekehrten von ihren bösen Wegen, reute ihn das Übel, das er ihnen angekündigt hatte, und tat's nicht.“

Liebe Gemeinde, das ist der Sinn der Fastenzeit: dass wir uns bewusst werden, wie wir vor Gott dastehen, dass wir in uns gehen, dass wir Buße tun, dass wir ihn um Gnade bitten und dass wir uns ernsthaft bessern. Denn wir haben mit unserer Sünde ja nicht weniger Gottes Straf­gericht verdient als die Leute von Ninive. Wir haben verdient, dass mit uns bald Schluss ist, sei es in vierzig Tagen oder in vierzig Jahren. Wir müssen anerkennen, dass wir in Gottes Augen schmutzig sind, unrein, unwürdig und unwert – gleich ob wir das mit Asche tun oder ohne. Die Fastenzeit wird heutzutage auch Passions­zeit genannt. Damit wird unser Blick auf das Leiden und Sterben Jesu gerichtet, auf die Karwoche und den Karfreitag. Das ist auch gut so – wenn wir denn das Leiden und Sterben unseres Herrn richtig deuten! Heutzutage ergeht oft der Aufruf, im Blick auf das Leiden und Sterben Jesu an die vielen Leidenden und Elenden in der Welt zu denken. Christi Leid soll uns dafür bereit machen, dass wir mit ihnen mitleiden und auch nach Kräften mithelfen, ihr Leid zu überwinden. Das ist aber keineswegs die Haupt­botschaft der Passion. Wenn wir uns in der Passions­zeit auf das Leiden und Sterben Jesu besinnen, dann sollen wir zuerst die Ursache bedenken. „Was ist doch wohl die Ursach solcher Plagen? Ach, meine Sünden haben dich ge­schlagen“, so singen wir. In der Passions­zeit an das Leiden des Herrn denken, bedeutet zuerst, an der eigenen Schuld zu leiden, und danach erst, mit den Leidenden der Welt mit­zuleiden. Denn mit dem Leiden in der Welt kann es nur besser werden, wenn es an seiner Wurzel geheilt wird, an der Sünde nämlich, und da fange jeder am besten bei sich selbst an. Aber – und das ist das Wunderbare – dieses Leiden an der eigenen Sünde führt nicht zur Ver­zweiflung. Denn wenn wir Gott um Verzeihung bitten, wenn wir Gnade vor Recht erflehen, dann haben wir die Hoffnung, dass wir nicht vergeblich bitten. Derselbe Gott, der sein Straf­gericht über Ninive abgesagt hat, der wird auch sein Straf­gericht über uns absagen, so hoffen wir. Und diese Hoffnung hat Gewissheit, nämlich die Gewissheit der Passion Jesu Christi. Die Gewissheit, die auf seinem Versprechen ruht: „So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen ein­geborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben“ (Joh. 3,16). Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2007.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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