Wie Gottes Wort wirkt

Predigt über Psalm 119,103‑105 zum Sonntag Sexagesimä

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Gleich im ersten Artikel unserer Gemeinde­ordnung steht: „Die Evangelisch-Lutherische Gemeinde in Fürsten­walde ist gebunden an die Heilige Schrift Alten und Neuen Testaments als an das unfehlbare Wort Gottes, nach dem alle Lehren und Lehrer der Kirche beurteilt werden sollen.“ Ja, so glauben, lehren und bekennen wir als lutherische Christen: Die Bibel kommt von Gott, ist absolut zuverlässig und gibt uns damit den wichtigsten Beurteilungs­maßstab für alle Meinungen und Lehren an die Hand. Es ist gut, wenn wir uns das immer wieder deutlich vor Augen halten, was Gottes Wort ist. Zugleich aber sollten wir auch bedenken, was Gottes Wort tut. Gottes Wort ist nämlich nicht tote Infor­mation, sondern lebendig und somit auch wirk­mächtig. Genau das ist das Thema des Sonntags Sexagesimä: Was Gottes Wort tut, bzw. wie Gottes Wort wirkt. Im heutigen Evangelium haben wir unter dem Bild des Samens davon gehört. Die drei Psalmverse unseres Predigt­textes halten uns drei weitere Bilder vor, mit denen anschaulich wird, wie Gottes Wort wirkt: Es wirkt erstens wie eine leckere Süßspeise, zweitens wie ein Wegweiser, drittens wie eine Straßen­laterne.

Erstens heißt es in unserem Psalmwort: „Dein Wort ist meinem Munde süßer als Honig.“ Gottes Wort wirkt wie eine leckere Süßspeise. Das heißt: Es schmeckt und nährt zugleich. Gottes Wort beantwortet die Frage: „Was kann ich glauben?“, und die Antwort ist äußerst wohl­schmeckend und Nahrung für unseren Glauben. Die Antwort ist der Trost des Evan­geliums, dass Gott uns Sünder über alle Maßen lieb hat. Er erbarmt sich über uns, er hilft uns, er heilt uns, er schenkt uns das Kostbarste, was er hat: seinen lieben Sohn! Ja, dieser Trost ist süß wie Honig, den man sich auf der Zunge zergehen lässt. Die meisten Christen haben im Laufe ihres Lebens bestimmte Schrift­worte besonders lieb gewonnen, weil sie sich in besonderen Lebens­abschnitten als tröstlich und hilfreich erwiesen haben. Für viele ist das der 23. Psalm, „Der Herr ist mein Hirte“, mit seiner überaus tröstlichen Zusage: „Ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich.“ Von einem bereits ver­storbenen Christen weiß ich, dass er sich in großer Not einmal an den Bibelvers geklammert hat: „Herr, du hilfst Menschen und Tieren“ (Ps. 36,7). Er sagte sich: Wenn Gott schon den Tieren hilft, die doch geringer sind als wir Menschen, dann wird er wohl erst recht mir armen Menschen helfen – ein Trost süß wie Honig! Mir persönlich ist mein Kon­firmations­spruch schon oft zum Trost geworden: „Herr, wenn ich nur dich habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erde“ (Ps. 73,25). Es ist mir sehr tröstlich zu wissen: Ich brauche die Welt gar nicht völlig zu verstehen; viele Rätsel des Lebens dürfen ruhig ungelöst bleiben; Hauptsache, ich habe den Herrn Jesus Christus. Und du, liebe Schwester, lieber Bruder, vielleicht hast auch du deinen besonderen Trostvers aus Gottes Wort. Lass ihn dir nur immer wieder wie süßen Honig auf der Zunge zergehen und stärke deinen Glauben damit!

Zweitens heißt es in unserem Psalm: „Dein Wort macht micht klug, darum hasse ich alle falschen Wege.“ Gottes Wort wirkt wie ein Wegweiser. Ein Wegweiser macht klug, denn er zeigt den einen rechten Weg, und man kann die falschen Wege links liegen lassen. Gottes Wort beantwortet die Frage: „Was soll ich tun?“ – freilich nicht so, dass es mir jeden einzelnen Schritt vor­schreibt. Die einzelnen Schritte auf meinem Lebensweg, die muss ich mir schon selbst überlegen, dazu hat Gott mir ja meinen Verstand gegeben. Aber die richtige Richtung, die zeigt mir Gottes Wort wie ein Wegweiser. Es ist der Weg der Liebe. Es ist der Weg der Wahr­haftigkeit, der Auf­richtig­keit. Und es ist der Weg der Ver­antwortung vor Gott und den Menschen. Antwort geben können, Rechen­schaft geben können, das sollten wir allezeit für unser Verhalten. Vorvorige Woche habe ich an einem Projekttag im Gymnasium Schülern über Werte gesprochen. Wir haben uns da die Rangordnung von Werten klar­gemacht: Unten stehen die materiellen Werte, die man sich erarbeiten kann. Um sie zu schützen, müssen darüber die Werte einer guten gesetz­lichen Ordnung in einem Rechtsstaat stehen. Die Gesetze werden in Deutschland wiederum vom über­geordneten Grundgesetz geschützt, das seinerseits in den Grund­rechten die wichtigsten Werte in Abstufung nennt, angefangen von der Würde und dem Leben des Menschen bis hin zum Asylrecht. Wir haben fest­gestellt, dass diese über­geordneten Werte den Menschen­rechten entsprechen und sich auch in den Zehn Geboten wieder­finden. Diese sind so ein Wegweiser, der klug macht; sie fordern den Schutz des Lebens, den Schutz der Ehe, den Schutz der Familie, den Schutz des Eigentums, den Schutz der Wahrheit. Über allem aber steht das erste Gebot: „Ich bin der Herr, dein Gott, du sollst nicht andere Götter haben neben mir.“ Folge­richtig stellt unser deutsches Grundgesetz den Grund­rechten die Präambel voran, in der es heißt: „Im Bewusstsein seiner Ver­antwortung vor Gott und den Menschen, von dem Willen beseelt, als gleich­berechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen, hat sich das Deutsche Volk kraft seiner verfassungs­gebenden Gewalt dieses Grundgesetz gegeben.“ Im Bewusstsein seiner Ver­antwortung vor Gott und den Menschen – das ist der wichtigste Wegweiser. In der Bibel finden wir ihn so formuliert, wie Jesus selbst es einmal zusammen­gefasst hat: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen… Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“ (Markus 12,30‑31). Das muss ein Mensch lernen, wenn er klug werden will; das muss ein Volk lernen, wenn es im Glanze seines Glückes blühen soll: Gott lieben und die Mitmenschen lieben; sich der Ver­antwortung vor Gott und den Menschen bewusst sein. Alle An­strengungen um bessere Bildung wären für die Katz, wenn dies der Jugend nicht mehr ein­dringlich ans Herz gelegt würde: Gott und die Mitmenschen lieben. Da haben wir den Wegweiser, der die richtige Richtung angibt und vor Abwegen schützt.

Drittens heißt es in unserem Psalm: „Dein Wort ist meines Fußes Leuchte und ein Licht auf meinem Wege.“ Gottes Wort wirkt wie eine Straßen­laterne. Wohl­bemerkt: Nicht wie die Sonne, sondern wie eine Straßen­laterne. Die Sonne macht alles hell, die Straßen­laterne nur den Weg. So ist das auf dem Weg des Lebens: Gottes Wort beleuchtet nur das, worauf es ankommt, und vieles andere bleibt rechts und links im Dunkel verborgen. Aber Gottes Wort beantwortet auf diese Weise die Frage: „Was darf ich hoffen?“ Es verheißt mir: Du darfst hoffen, dass du mit Jesus Christus auf dem Weg zum ewigen Leben bist, unterwegs zur ewigen Herrlich­keit, unterwegs zur Sonne. Gottes Wort ist die Straßen­laterne, Gott selbst ist die Sonne. In dieser Welt haben wir nur den Schein der Straßen­laterne, in jener Welt werden wir die Herrlich­keit der Sonne sehen. Das Licht der Straßen­laterne verheißt uns, dass wir unterwegs sind zum großen Licht. „Wer da glaubt und getauft wird, der wird selig werden“, hat Jesus gesagt, und ist damit selbst unseres Fußes Leuchte geworden. Der Weg der Nachfolge hinter Jesus her, der mit der Taufe beginnt, der Weg des Glaubens, das ist dieser helle Pfad in die Ewigkeit. Freilich: Wer ihn gehen will, darf das Licht nicht scheuen. Er darf nichts Dunkles und Böses vor Gott verbergen wollen. Gottes Wort, Gottes Straßen­laterne, bringt es alles ans Licht. Wir müssen schon zu unserer Schuld stehen, sie offen bekennen und bei Gott abgeben, sonst können wir nicht in seinem Licht gehen. Wenn wir's aber tun, macht er unsere Herzen hell und führt uns zum Licht der ewigen Seligkeit. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2007.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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