„Ich werde bleiben im Hause des Herrn immerdar“

Predigt über Psalm 23,6b zu einer Beerdigung

Liebe Trauergemeinde!

Der 23. Psalm ist unserer Ver­storbenen in ihrem Leben wichtig gewesen. Darum wollen wir uns jetzt vorstellen, als riefe sie uns den letzten Satz dieses Psalms als ein Bekenntnis zu. Denn ein Bekenntnis ist dieser Psalm ja in der Tat, ein Bekenntnis zu Gott dem Herrn als unserem guten Hirten. Stellen wir uns also vor, als sagte sie jetzt selbst uns diese Worte als ihr christ­liches Bekennnis: „Ich werde bleiben im Hause des Herrn immerdar.“

Das Bleiben war im Leben der Ver­storbenen eine wichtige Grundlinie. Sie ist nicht oft umgezogen und blieb fast die ganze Zeit ihres Lebens in ihrer Heimat verwurzelt. Heimat, Haus und Familie waren ihr wichtig. Und doch hat sie auch die Erfahrung machen müssen, die keinem Menschen erspart wird: Wirklich auf Dauer bleiben können wir nirgends in dieser Welt. Der Zweite Weltkrieg nahm ihr ihren ersten Mann, noch ehe sie mit ihm ein Heim und eine Familie aufbauen konnte. Als Lazarett­schwester wurde sie im Ausland eingesetzt. Und in den letzten Jahren ihres Lebens konnte sie nicht zu Hause bleiben, sie musste im Pflegeheim unter­gebracht werden. Wenn sie dort auch alle nötige Pflege und liebevolle Zuwendung durch ihre Kinder erfuhr, so wird sie sich im Heim wohl nicht ganz zu Hause gefühlt haben – nicht an einem Ort, wo man auf Dauer bleiben kann. Da war ihre Welt klein geworden, nur ein Zimmer noch, schließlich nur noch das Bett, und sie spürte, dass dies nur ein vorüber­gehender Aufenthalt im Wartesaal zur letzten großen Reise war. In der letzten Strophe des Volkslieds „Hoch auf dem gelben Wagen“ heißt es: „Ich wäre so gern noch geblieben, aber der Wagen der rollt“, und die Postkutsche wird da zum Bild für eben jene letzte große Reise. „Ich wäre so gern noch geblieben“, aber Gott hat es anders bestimmt: Dauerhaft bleiben kann niemand in dieser Welt.

Aber nun erinnern wir uns wieder an das Psalmwort und das Bekenntnis unserer Ver­storbenen: „Ich werde bleiben im Hause des Herrn immerdar.“ In diesem Gotteswort geht es nicht um das Bleiben in unserer Welt, sondern um ein anderes Bleiben, nämlich das Bleiben im Hause des Herrn. „Reich Gottes“ oder „Himmel­reich“ wird dieses Haus des Herrn auch genannt. Es ist überall da gegen­wärtig, wo Menschen durch Jesus Christus mit dem Vater im Himmel Ge­meinschaft haben; es ist unser Vaterhaus im tiefsten Sinn des Wortes. Wenige Tage nach ihrer Geburt wurde das Mädchen in Gottes Vaterhaus aufgenommen durch das Bad der Wieder­geburt, durch die heilige Taufe. Und wenige Tage vor ihrem Tod hat der himmlische Vater der Greisin noch den Tisch gedeckt in seinem Hause; sie hat – wenn auch mühsam – vom Heiligen Abendmahl gegessen und getrunken. Taufe und Abendmahl, die beiden Sakramente, bilden die große Klammer über dem Leben der Ver­storbenen und zeigen an, worum es eigentlich geht bei ihrem Bekenntnis: „Ich werde bleiben im Hause des Herrn immerdar.“

Dieses Bleiben hat sich vielfach in ihrem Leben ausgewirkt. Sie hat gelebt unter der vergebenden Gnade des Herrn Jesus Christus, unter dem Trost seines Evan­geliums, in der Ge­meinschaft der christ­lichen Kirche, mit Gebeten und Lobliedern sowie auch in tätiger Nächsten­liebe. Sie hat mit Gott gelebt, sie ist in seinem Hause geblieben, sie hat den Glauben bis ans Ende bewahrt. Ein besonders eindrucks­volles Zeichen dafür ist wohl, dass sie noch in den letzten Tagen, wo eine Unter­haltung mit ihr nicht mehr möglich war, das Vaterunser, das Glaubens­bekenntnis sowie auch vertraute Kirchen­lieder mitsprechen und ‑singen konnte. Das ist ihr bis zum Schluss im Gedächtnis geblieben – weil sie im Hause des Herrn geblieben war.

Und sie wird im Hause des Herrn bleiben, auch wenn sie nun ihre letzte große Reise angetreten hat. Ihr Psalm und ihr Bekenntnis lautet ja: „Ich werde bleiben im Hause des Herrn immerdar.“ Ich werde in Ewigkeit in Gottes Reich bleiben. Der berühmte Pastor und Kirchen­lieder­dichter Paul Gerhardt hat gedichtet: „Kann uns doch kein Tod nicht töten, / sondern reißt / unsern Geist / aus viel tausend Nöten.“ Unsere verstorbene Schwester in Christus bleibt zu Hause, bleibt in ihrem göttlichen Vaterhaus. Christus wird sie aus dem Tod erwecken und zu noch viel schönerer und innigerer Ge­meinschaft mit dem himmlischen Vater führen, als sie auf Erden je gekannt hat. Und alle Schmerzen, alle Gebrechen, alle Angst und aller Kummer dieser Welt werden dann vergessen sein. „Ich werde bleiben im Hause des Herrn immerdar“ – wo sonst? Denn nirgends ist es so schön wie da.

Daran lasst uns vor allem denken, wenn wir jetzt ihren Leib zur letzten Ruhe betten. Es ist schön, dass diese Ruhestatt nun an der Seite ihres Mannes sein kann, der vor ihr heim­gegangen ist. Aber das Grab ist nicht das Wesent­liche, was bleibt. Was bleibt ist die Seele, der Gott einmal einen neuen und herrlichen Leib schenken wird. Ja, daran lasst uns vor allem denken, und lasst uns das Bekenntnis der Ver­storbenen auch zum Vorbild nehmen, jeder für sein eigenes Leben, und jeder für sein eigenes Sterben: „Ich werde bleiben im Hause des Herrn immerdar.“ Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2007.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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