Isaak (II)

Predigt über 1. Mose 26,1‑33

Verlesener Text: 1. Mose 26,2‑5

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Es gibt zwei Arten, auf Gott zu hoffen: das wünschende Hoffen und das gewisse Hoffen. Beim wünschenden Hoffen bitten wir Gott um etwas, was er uns nicht versprochen hat. Da hofft einer zum Beispiel, dass am Wochenende die Sonne scheint, weil er ein Gartenfest feiert. Oder da betet ein anderer zu Gott, dass es endlich regnet, weil Gärten und Felder schon halb vertrocknet sind. Beim wünschenden Hoffen kann man nicht hundert­prozentig sicher sein, ob Gott den Wunsch auch wirklich erfüllt; es kann sein, dass er es in seiner Weisheit anders kommen lässt. Beim gewissen Hoffen dagegen haben wir eine aus­drückliche Zusage Gottes. So hat er zum Beispiel ver­sprochen, dass alle, die an Jesus glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben. Mögen ungläubige Menschen auch noch so sehr über das ewige Leben spotten, wir sind uns da ganz sicher, denn Gottes Wort ist hier ganz klar und eindeutig. Gewisses Hoffen hat die Garantie von Gottes feierlichem Ver­sprechen, von Gottes „Eid“ gewisser­maßen. Gottes Ver­heißungen sind absolut ver­lässlich, noch ver­lässlicher, als wenn ein Mensch einen feierlichen Eid schwört.

Als Gott einmal direkt mit Isaak redete, da erinnerte er ihn an das Ver­sprechen, das er bereits seinem Vater Abraham gegeben hatte. Der Herr sagte zu Isaak: „Dir und deinen Nachkommen will ich alle diese Länder geben und will meinen Eid wahr machen, den ich deinem Vater Abraham geschworen habe, und will deine Nachkommen mehren wie die Sterne am Himmel und will deinen Nachkommen all diese Länder geben. Und durch dein Geschlecht sollen alle Völker auf Erden gesegnet werden.“ Auf dieses Versprechen gründete Isaak seinen Glauben, sein gewisses Hoffen, dass Gott diese an­gekündigte Heils­geschichte auch wahr machen werde – bis hin zu dem Erlöser aus seiner Nachkommen­schaft, in dessen Namen allen Völkern Gottes Segen und die ewige Seligkeit angeboten würde: Jesus Christus. Durch sein Wort an Isaak bestätigte und bekräftige Gott seine Verheißung an Abraham und stärkte Isaak auf diese Weise in seinem gewissen Hoffen – in einer Zeit, als sein wünschendes Hoffen gerade einmal enttäuschtt worden war, denn in Palästina herrschten Dürre und Hungersnot.

Isaak lebte zu dieser Zeit als reicher Nomaden­fürst mit seiner Frau Rebekka im Südland, in der Nähe vom Toten Meer, wo es besonders trocken war. Wie sehr hatte er sich Regen herbei­gesehnt und Gott wohl auch viele Male darum gebeten! Aber Gott in seiner un­ergründ­lichen Weisheit hatte den Himmel ver­schlossen. Weil es nun kein Gras mehr für das Vieh gab und auch die Brunnen nach und nach versiegten, da entschloss Isaak sich, dasselbe zu tun, was sein Vater Abraham vor vielen Jahren schon einmal bei großer Dürre getan hatte: Er beschloss, nach Ägypten zu ziehen. Dort, im fruchtbaren Nildelta, gab es immer noch genug Wasser, Weideland und Getreide. Aber Isaak kam nicht weit: Bereits ein paar Tagereisen weiter westlich, auf dem Gebiet der Philister, hörte er Gottes Stimme. Da bekräftige Gott ihm nicht nur die Abrahams­verheißung, sondern da gab er ihm auch die Anweisung, nicht nach Ägypten zu ziehen, sondern im Philister­land zu bleiben und dort das Ende der Hungersnot abzuwarten. Gottes Heilsplan war noch nicht reif für Ägypten: Erst Isaaks Enkel Josef würde einst dafür sorgen, dass durch sein weises Haushalten in Ägypten die Stammväter Israels und ihre Familien vor dem Hungertod bewahrt würden.

Isaak blieb also im Philister­land und ließ sich bei der Stadt Gerar nieder. Dort wohnte der Philister­könig Abimelech. Das uralte Volk der Philister war es übrigens, nach dem die ganze Gegend „Palästina“ genannt wurde; „Palästina“ heißt „Philister­land“. Als reicher Mann war Isaak ein gern gesehener Gast in diesem Volk. Das ist ja bis heute so, in jedem Volk: Reiche Ausländer, die viel Geld ausgeben, sind stets herzlich willkommen und werden hofiert; nur die armen Ausländer, die will man nicht so gern bei sich haben. Isaak seinerseits fühlte sich bei den Philistern allerdings nicht so wohl. Er misstraute diesem etwas wilden Volk, und er hatte vor allem Angst wegen seiner immer noch sehr attraktiven Frau Rebekka. Er dachte: „Sicher gibt es Philister, die wollen sie für sich haben; da bin ich als Ehemann dann im Wege, und sie werden mich tot­schlagen.“ So verfiel er auf eine Notlüge: Er gab Rebekka als seine Schwester aus. Eine Notlüge? War das denn wirklich eine Notlage? Eigentlich nicht, Isaak hatte einfach nur Angst. Und Angst ist immer ein schlechter Ratgeber. Wer sich auf Gottes Zusagen verlässt, wer mit gewissem Hoffen bei ihm geborgen ist, der braucht sich von der Angst nicht be­einflussen zu lassen. Das Vertrauen in Gottes Liebe vertreibt alle Angst. „Furcht ist nicht in der Liebe“ (1. Joh. 4,17), schrieb der Apostel Johannes, und Jesus selbst sagte: „In der Welt habt ihr Angst, aber seid getrost, ich habe die Welt über­wunden.“ Wir sehen an dieser Angst und dieser Lüge Isaaks also, dass er trotz seines Glaubens ein an­gefochtener und sünden­anfälliger Mensch war, eben ein Mensch wie du und ich.

Es ist klar, dass seine List über kurz oder lang auffliegen musste. Einmal flirtete er inbrünstig mit Rebekka im Freien, und der Philister­könig Abimelech sah das zufällig durchs Fenster seines Hauses. Er ließ Isaak vorladen und brachte seine Bestürzung zum Ausdruck: „Isaak, Rebekka ist nicht deine Schwester, sie ist deine Frau! Warum hast du uns belogen? Sehr leicht hätte es geschehen können, dass jemand mit deiner Frau geschlafen hätte, weil ja alle denken, sie ist deine un­verheiratete Schwester. Und dann hätte er am Ende un­wissentlich die große Schuld des Ehebruchs auf sich geladen! Warum willst du uns ins Unglück stürzen?“ Alle Achtung, Herr Abimelech! Dieser heidnische Philister beschämt große Teile des heutigen christ­lichen Abendlands, wo man nicht mehr weiß oder nicht mehr wissen will, wie schlimm und gefährlich ein Ehebruch ist! Da wusste man bei den alten Philistern anscheinend doch noch mehr über die Heiligkeit der Ehe. Abimelech zögerte nicht lange. Allerdings wollte er nicht seinen reichen Gast bloßstellen und dessen Lüge bekannt machen, darum stellte er ihn und Rebekka unter seinen besonderen Schutz. Er ließ ein Gebot ausgehen, das da lautete: „Wer diesen Mann oder seine Frau antastet, der soll des Todes sterben!“

Die Hungersnot ging, Isaak blieb. Er weidete sein Vieh im Philister­land, er benutzte die Brunnen, er säte und er erntete reichlich. „Hundert­fältig“ trug sein Land Frucht, so vermeldet es uns die Bibel; das war für damalige Verhält­nisse eine Rekord­ernte: Für jedes Saatkorn, das er in die Erde gelegt hatte, bekam er hunderte Getreide­körner als Ernte! So wurde er reicher als je zuvor. Weil Gott ihn derart segnete, wurde er auch schneller reich als die Philister selber. Und so kam es, dass man sich über seine Anwesenheit immer weniger freute. Man wurde neidisch auf ihn, man missgönnte ihm seinen Reichtum. Auch das ist eine Erfahrung, die für alle Länder und Zeiten gilt: Wenn der gern gesehene reiche Ausländer zu lange bleibt und dabei immer reicher wird, wenn er auf diese Weise gar noch Macht und Einfluss gewinnt, dann ist er irgendwann nicht mehr gern gesehen, sondern dann möchte man ihn am liebsten wieder loswerden. Darum sagte Abimelech eines Tages zu Isaak: „Zieh von uns, denn du bist uns zu mächtig geworden.“

Isaak ließ sich nicht lange bitten. Platz gab es genug, wohin er ziehen konnte. Es war damals nämlich nicht so, dass jeder Quadrat­meter Boden irgend­jemandem gehörte. Außerhalb der Siedlungen gehörte der Grund und Boden allen gemeinsam, und jeder nutzte ihn so, wie er wollte. Isaak zog in eine etwas dünner besiedelte Gegend am Rande des Philister­lands. Dort hatte sein Vater Abraham früher schon einmal vorüber­gehend gelebt und Brunnen graben lassen. Isaak musste fest­stellen, dass diese Brunnen inzwischen alle zu­geschüttet worden waren. Er ließ sie wieder neu aufbuddeln und gab ihnen dieselben Namen, die Abraham ihnen ur­psrünglich gegeben hatte. Wir sehen, wie kostbar den Menschen das Wasser damals war: Man gab den Brunnen sogar Namen! Auch an neuen Stellen ließ Isaak graben und fand sogar einen unter­irdischen Fluss: fließendes Wasser, „lebendiges Wasser“, wie es in der Bibel heißt – besonders begehrt bei Mensch und Vieh wegen seiner Frische! Aber wieder kam ihm der Neid anderer in die Quere: Die Hirten der Philister zankten sich mit Isaaks Hirten um diesen Brunnen. Er erhielt den Namen „Zank“; und ein weiterer Brunnen wurde aus demselben Grund „Streit“ genannt. Erst als Isaak sich weit genug vom Philister­land entfernt hatte, konnte er sich ungestört an einem neuen Brunnen nieder­lassen. Er nannte ihn „Weiter Raum“. Und noch einen Brunnen ließ er für seine stets wachsenden Herden graben. Dort redete Gott wieder mit ihm, tröstete ihn und sagte: „Fürchte dich nicht, ich bin mit dir!“ Und er wiederholte seine große Segens­verheißung. Isaak baute dort einen Altar, wo er Gottes­dienste hielt.

Eines Tages wurde er dort von Abimelech und einer Delegation aus dem Philister­land besucht. Isaak fragte verwundert: „Was wollt ihr denn hier? Ich denke, ihr hasst mich und wollt nichts mit mir zu tun haben!“ Etwas verlegen schlug Abimelech dem Isaak vor, einen Friedens­vertrag zu schließen. Er wollte sicher­gehen, dass der inzwischen mächtig gewordene Isaak ihm und den Philistern nichts tun würde, und bot dafür seinerseits an, ihn niemals an­zugreifen. Isaak war ein­verstanden, und der Friedens­vertrag wurde nach damaligem Ritus ge­schlossen: mündlich, mit einem feierlichen Eid und mit einem ausufernden Festessen, das die ganze Nacht dauerte. Am Tag darauf geschah es, dass die Brunnen­bauer meldeten: „Wir sind auf Wasser gestoßen!“ Darum nannte Isaak ihn „Schwur­brunnen“, auf hebräisch „Beer­scheba“.

Noch heute gibt es in Israel die Stadt Beerscheba, die genau an dieser Stelle entstanden ist. Freilich: Abimelechs Schwur, der dieser Stadt ihren Namen gegeben hat, der hat heute keine Bedeutung mehr, er ist von späteren Philistern gebrochen worden. Ich erinnere nur an den riesigen Philister Goliath, der Gott lästerte und sein aus­erwähltes Volk zum Krieg provo­zierte. Heute belasten andere Kriegs­sorgen Palästina, und wir haben viel wünschendes Hoffen, das den Frieden herbei­sehnt. Wir haben ja dafür gebetet, das die Waffen in Nahost ruhen, und es sieht imMoment so aus, als würde Gott unserer Bitte nachkommen.

Aber wie auch immer Gott auf unser Bitten reagiert, im Blick auf unseren Seelen­frieden haben wir eine gewisse Hoffnung, gegründet auf sein Wort, gegründet auf seinen Schwur an Abraham und Isaak, gegründet auf die gute Nachricht seines Sohnes Jesus Christus, das Evangelium. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2006.

Autor: Pastor Matthias Krieser

SOLI DEO GLORIA!

PREDIGTKASTEN

►  Startseite

►  Impressum