Christliches Verhalten

Predigt über Kolosser 4,2‑6 zum Sonntag Rogate

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Mit den Kon­firmanden, die am vorigen Sonntag konfirmiert wurden, habe ich im Unterricht auch über Ethik gesprochen. Es stellte sich dabei heraus, dass sie gar nicht so genau wussten, was das eigentlich ist. Da haben wir uns erst einmal grund­sätzlich klar gemacht: Ethik, das ist die Lehre vom Verhalten. Und mit Verhalten ist alles gemeint, was der Mensch tut oder sagt oder auch nicht tut. So lange ein Mensch lebt, verhält er sich andauernd, ob er will oder nicht. Ein Grundsatz der Psychologie lautet: „Man kann sich nicht nicht verhalten.“ Auch wenn ihr jetzt scheinbar ganz passiv in der Kirchenbak sitzt, verhaltet ihr euch trotzdem, und euer Verhalten hat eine Bedeutung. Ob jemand aufrecht dasitzt oder sich lässig zurück­lehnt, ob jemand den Pastor anschaut oder zu Boden sieht, ja selbst wenn jemand während der Predigt schläft, verhält er sich irgendwie, und das hat immer etwas zu bedeuten. Als Pastor kann man das von der Kanzel aus recht gut beobachten.

Kleine Kinder denken noch nicht über ihr Verhalten nach. Sie lachen, weinen, strampeln oder gähnen einfach so, wie es ihnen gerade in den Sinn kommt. Das ist auch in Ordnung, denn die Erwachsenen passen ja auf, dass ihnen ihr Verhalten nicht zum Verhängnis wird. Es gibt Erwachsene, die verhalten sich immer noch ziemlich kindlich, die machen immer noch, was ihnen gerade in den Sinn kommt, und denken nicht viel darüber nach. Bei Erwachsenen ist das bedenklich. Wenn ein Erwachsener aus dem Bauch heraus lebt, wenn er also tut und lässt, was ihm gerade Spaß macht, dann kann das für ihn selbst und andere böse Kon­sequenzen haben. Wer zum Beispiel nur so aus Lust und Laune täglich zwei bis drei Bier trinkt, läuft Gefahr, zum Alkoholiker zu werden, was für ihn selbst und seine Angehörigen verheerende Folgen hat. Wer sein Verhalten nicht kontrol­liert, der wird auch immer wieder von anderen Menschen manipuliert werden. Er wird vielleicht auf Werbe­versprechen herein­fallen und meinen, er braucht jetzt unbedingt dieses Handy oder jenen Haar­festiger, um glücklich zu sein. Wer seine Kauf­entscheidun­gen aus dem Bauch heraus trifft, läuft Gefahr, mit seinem Geld nicht hinzu­kommen.

Gottes Wort mahnt uns: „Verhaltet euch weise.“ Denkt als erwachsene Menschen darüber nach, was ihr tut und was das für Folgen hat, für euch und für andere. Lernt aus den Er­fahrungen, die ihr selbst macht, und lasst euch auch von anderen Menschen guten Rat geben, was das Richtige ist. Lernt Selbst­disziplin, kontrol­liert euer Verhalten. Und, für Christen das Wichtigste: Richtet euer Verhalten nach Gottes Maßstab aus. Gottes Maßstab aber ist der Maßstab der Liebe, der Maßstab der Wahrhaftig­keit, der Maßstab der Zehn Gebote. Wer danach zu leben gelernt hat, der ist weise. Darum: „Verhaltet euch weise.“

Wenn wir uns als Christen so verhalten, dann hat das auch eine missio­narische Dimension. Mission ist ja nicht nur etwas für Pastoren und Missionare; Mission, das sind auch nicht nur spezielle und gezielte Aktivi­täten, um das Evangelium zu ver­kündigen; Mission ist vielmehr eine Lebens­äußerung der ganzen Kirche und damit auch jedes einzelnen Christen. Wenn Nicht­christen wissen, dass jemand ein Christ ist, dann achten sie sehr genau auf sein Verhalten. Sie sind dann entweder beeindruckt oder abgestoßen, je nachdem. Das Verhalten der Christen im all­täglichen Leben ist ganz ent­scheidend dafür, ob Türen für das Evangelium aufgemacht oder zu­geschlagen werden. Darum betont unser Gotteswort besonders: „Verhaltet euch weise gegenüber denen, die draußen sind.“

Dabei spielen unsere Worte eine große Rolle. Worte werden meistens unter­schätzt. Ich staune immer wieder darüber, wenn ich in der Einkaufs­straße oder im Rathaus­center bin, was da um mich herum dauernd geschwatzt wird. Meistens ist es irgend­welches belanglose Zeug, Alltäglich­keiten, und sehr oft Gemecker oder Kritik. Man braucht oft gar nicht zu verstehen, was jemand sagt, man hört schon am Tonfall und sieht am Gesichts­ausdruck, wenn er sich über irgendetwas aufregt. Unser Gotteswort mahnt uns, auch beim Reden unser Verhalten zu kontrol­lieren: „Eure Rede sei allezeit freundlich und mit Salz gewürzt.“ Mit Salz gewürzt – also nicht fade und abstoßend, sondern schmack­haft, sodass der Gesprächs­partner gern zuhört.

Und wieder gilt: Wenn wir uns als Christen so verhalten, hat das auch eine missio­narische Dimension. Und das nicht erst in dem Moment, wenn wir die Worte „Gott“ oder „Jesus“ in den Mund nehmen. Auch wie wir über das Wetter, über das Geld oder über Krankheit reden, zeigt etwas von unserem Glauben. Je nachdem, ob wir mit unserem Reden auf das eingehen, was unseren Gesprächs­partner beschäf­tigt, oder nicht, zeigen wir, ob wir ihn ernst nehmen, annehmen, lieb haben – oder nicht. Darum betont unser Gotteswort besonders: „Eure Rede sei allezeit freundlich und mit Salz gewürzt, dass ihr wisst, wie ihr einem jeden antworten sollt.“

Die christliche Ethik hat mich schon in jungen Jahren sehr beschäf­tigt. Es war mir schon als Jugend­licher ein wichtiges Anliegen, mich so zu verhalten, wie es Gott gefällt. Ich habe mir dabei oft große Mühe gegeben. Und ich habe gedacht: Wenn ich mir große Mühe gebe, dann wird sich der Erfolg auch einstellen; dann werde ich mit meinen Worten und Taten gute Dinge in Bewegung setzen können und meinen Mitmenschen helfen. Es hat sich dann im Laufe der Zeit heraus­gestellt, dass dies eine Illusion war. Oft genug habe ich mit meinem Verhalten trotz Mühe nicht das bewirkt, was ich wollte. Oftmals habe ich gar nichts bewirkt, manchmal habe ich sogar das Gegenteil von dem bewirkt, was ich bewirken wollte: Ich wollte einem Menschen helfen und habe ihm geschadet; ich wollte einen Menschen trösten und habe ihn vor den Kopf gestoßen; ich wollte etwas Freund­liches sagen und bin völlig miss­verstanden worden.

Das weise Verhalten stößt im praktischen Leben schnell an seine Grenzen. Erst wenn wir das erkennen, lernen wir richtig beten. Und damit sind wir beim Thema – beim Thema des heutigen Sonntags Rogate, dem Sonntag der betenden Gemeinde. Und darum handeln von den fünf ethischen Bibel­versen, die wir hier betrachten, mehr als die Hälfte, nämlich drei, vom Gebet. „Seid beharrlich im Gebet und wacht ihn ihm mit Dank­sagung!“, heißt es da. Wer merkt, dass er auch mit größter Mühe das Gute nicht erreicht, das er erstrebt, der fängt wirklich an zu beten. Der wirft Gott die Scherben seiner Verhaltens-Unfälle vor die Füße und sagt: „Gott, ich weiß nicht mehr weiter, mach du was draus.“ Und weil sich die Erfahrung solchen Scheiterns wie ein roter Faden durch die meisten Christen­leben zieht, darum muss auch das ernsthafte Beten zu einem roten Faden werden: „Seid beharrlich im Gebet!“

Auch das Gebet hat eine missio­narische Dimension. Im Mustergebet des Herrn, im Vaterunser, handeln sechs Bitten vom Reich Gottes, nur eine vom täglichen Brot. Das Wichtigste, was wir von Gott erbitten können und sollen, das ist die Seligkeit – für uns und für andere. Darum hat der Apostel Paulus, der um seines Zeugnisses für Jesus willen im Gefängnis saß, auch diese persönliche Bitte um Fürbitte eingefügt: „Betet zugleich auch für uns, dass Gott uns eine Tür für das Wort auftue und wir das Geheimnis Christi sagen können, um dessent­willen ich auch in Fesseln bin, damit ich es offenbar mache, wie ich es sagen muss.“ Wie ich es sagen muss – das sagt der große, weise, geist­begnadete Apostel Paulus! Er weiß nicht von allein, wie er das Evangelium sagen muss, er weiß nicht, wie er sich im Gefängnis verhalten soll! Er will, dass Gott ihm auf die Sprünge hilft, und deshalb bittet er seine Mitchristen um Fürbitte!

Jesus hat seinen Jüngern gesagt: „Ohne mich könnt ihr nichts tun.“ Weil das so ist, müssen wir beten. Auch der weiseste Christ muss in seiner Ethik kläglich scheitern, wenn nicht Gott selbst sein Verhalten segnet. Das aber muss erbeten sein. Und wenn wir dann erkennen, wie Gott trotz unseres Verhaltens wunderbare Dinge zuwege bringt, dann können wir ihm über­schwänglich danken. „Wacht im Gebet mit Dank­sagung!“ Und wir lernen das großen Geheimnis des Glaubens: Beim Christsein geht es gar nicht so sehr darum, was wir tun, es geht vor allem darum was der Herr tut. Aber wenn es ihm gefällt, etwas durch uns zu tun, dann wollen wir ihn dafür loben und preisen! Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2006.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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