Gottes heraufziehende Kraft

Predigt über 1. Samuel 2,6 zum Ostersonntag

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Wer im Berliner Fernsehturm mit dem Aufzug in die Aussichts­kugel fährt, der staunt nicht schlecht über die Beschleuni­gung und die hohe Geschwindig­keit, mit der er da senkrecht nach oben gezogen wird. Was für eine be­eindrucken­de Bewegung: Man spürt es im Magen, man fühlt es in den Ohren, und wenn der Aufzug bremst, dann ist man für einen Moment viel leichter als sonst. Der technisch inter­essierte Besucher weiß: Da steckt ein enorm starker Elektro­motor dahinter!

Dieser Aufzug kann als Gleichnis dienen für die Auf­erstehung unseres Herrn Jesus Christus. Gegen die „Schwer­kraft“ des Todes wird Jesus wieder lebendig und steigt aus der Grabes­höhle, und das bereits am dritten Tag! Wir feiern das ja heute noch in Echtzeit nach: Vorgestern Karfreitag, ein ernster Gottes­dienst mit traurigen Melodien sowie schwarzen Paramenten an Altar und Lesepult. Und heute alles in weiß und fröhliche Lieder in einem festlichen Freuden-Gottes­dienst! Der traurigste und der fröhlichste Tag des Kirchen­jahres liegen ganz dicht bei­einander, und wenn wir's innerlich nach­empfinden, dann fährt unser Gefühl Fahrstuhl: Aus dem Keller der Traurigkeit in höchste Freuden­höhen. Unser Herr ist auf­erstanden, halleluja! Er ist nicht mehr tot, er liegt nicht mehr im Grab, sondern er lebt! Was für eine großartige Aufwärts­bewegung!

„Der Herr tötet und macht lebendig, führt hinab zu den Toten und wieder herauf“, heißt es in unserem Predigt­wort. Dieses Wort aus dem Alten Testament ist mit dem Osterwunder voll und ganz bestätigt und erfüllt worden. Dabei können wir leicht nach­empfinden, wie das mit dem Unten und Oben gemeint ist: Die Toten begräbt man in der Erde; ihre Welt ist also „unten“, da ist sozusagen ihr Reich, das Totenreich; da ist Dunkelheit, da ist Nacht. Oben aber ist Tag, oben ist Licht, oben ist Leben, oben ist Gott! Ostern ist gewisser­maßen Jesu wunderbare Fahrstuhl­fahrt nach oben, zum Leben, zum Licht. „Auf­erstehung“ nennen wir dieses Wunder ganz bewusst, es geht also aufwärts!

Aber die Bibel spricht nicht nur von der Auf­erstehung, sondern auch von der Auf­erweckung Jesu. Es heißt nicht nur: „Der Herr ist auf­erstanden!“, sondern auch: „Gott hat ihn auf­erweckt!“ Und so ist es ja auch in unserem Predigttext formuliert, der alt­testament­lichen Oster-Verheißung: „Der Herr macht lebendig, der Herr führt von den Toten herauf!“ Da sind wir nun sozusagen bei dem enorm starken Motor unseres Aufzugs. Es ist der Vater im Himmel, der seinen Sohn aus Grab und Tod heraus­gerissen hat, er mit seiner großen Lebens­kraft, seiner Schöpfungs­macht, seiner Allmacht. Ostern lässt uns darüber staunen, was Gott tut und kann.

Dabei dürfen wir nicht übersehen, dass seine Macht in beiden Richtungen wirkt, also nicht nur nach oben, sondern auch nach unten. Ebenso ist es ja beim Aufzugs­motor der Fall: Er zieht hoch und lässt runter. Auch dies verschweigt unser Bibelwort nicht: „Der Herr tötet – und macht lebendig; führt hinunter zu den Toten – und wieder herauf.“ Manchen leuchtet das nicht ein. Auf­erweckung ist ein Wunder Gottes, aber der Tod, ist der nicht etwas Natür­liches? Zum Hochziehen braucht man Kraft, klar, aber nach unten, geht das nicht von allein, durch die Schwer­kraft? Aber denken wir an Jesu Tod: Wer hat denn Jesus sterben lassen? Die römischen Soldaten, die ihn ans Kreuz schlugen? Oder Pontius Pilatus, der Jesus verurteilt hatte? Oder die Pharisäer, die ihm hasserfüllt nach dem Leben trachteten? Oder Judas, der ihn verriet? Oder er selbst, weil er trotz der drohenden Gefahr nach Jerusalem gekommen war? Hinter all diesen irdischen Ursachen steckt als letzte Ursache Gott. Der himmlische Vater hatte bestimmt, dass sein Sohn sterben soll, dazu hatte er ihn in die Welt geschickt. Also: Der Herr tötet, der Herr führt hinunter zu den Toten.

Das ist bis heute so: Letzte Ursache für den Tod eines Menschen ist nicht die Alters­schwäche, die Krebs­erkrankung, das Versagen der Ärzte, das verpatzte Überhol­manöver oder die tödliche Kugel des Atten­täters, letzte Ursache ist immer Gott, der den Tod als Folge der Sünde über unsere Welt verhängt hat. Noch einmal: Der Herr tötet, der Herr führt hinunter zu den Toten.

Aber er macht auch wieder lebendig, er führt auch wieder herauf von den Toten. Mit Jesus hat er es so gemacht und hat auf diese Weise gezeigt, dass er es mit allen Menschen so machen will. Wer zu Jesus gehört, muss zwar auch einmal hinunter zu den Toten fahren, aber Gott wird ihn zur himmlischen Herrlich­keit wieder auf­erwecken. Dass ist die köstliche Oster­botschaft für uns. Da wird aus dem wunderbaren Ereignis vor 2000 Jahren das Leben spendende Evangelium, das uns heute trifft. Und es wirkt sich nicht erst nach unserem Tod aus. Nein, wenn wir an Jesus glauben, dann bestimmt Gottes auf­erweckende Kraft schon jetzt unser Leben.

Das wird ganz deutlich, wenn wir uns bewusst machen, wer denn diese alt­testament­lichen Worte zuerst gesprochen hat, über die wir hier nachdenken: „Der Herr tötet und macht lebendig, führt hinunter zu den Toten und wieder herauf.“ Es war eine Frau, die es bis dahin nicht leicht gehabt hatte im Leben. Sie hatte zwar einen lieben Mann, aber sie bekam keine Kinder. Das machte sie regelrecht krank. Außerdem hatte sie eine Feindin, die sie wegen ihrer Kinder­losigkeit rücksichts­los ver­spottete. Die Frau betete zu Gott, und endlich erhörte er sie und schenkte ihr einen Sohn. Da war sie über­glücklich und betete einen Lobpsalm. Der Psalm handelt davon, wie Gott in seiner Macht all das verändern kann, was wir für fest­geschrieben halten: Un­fruchtbare Frauen kriegen Kinder, Reiche werden arm, Arme werden reich, Machtlose kommen an die Macht, Fürsten werden gestürzt… Und genau in diesen Zusammen­hang gehört das pro­phetische Wort für Jesu Auf­erstehung, das wir hier bedenken: „Der Herr tötet und macht lebendig, führt hinunter zu den Toten und wieder herauf.“ Die Frau, die das zuerst gebetet hat, hieß übrigens Hanna, und ihren Sohn nannte sie Samuel.

So, und nun bezieht das mal ganz persönlich auf euch, auf euer Leben. Vielleicht hat es ja Ähnlichkeit mit Hannas Leben vor der Gebets­erhörung. Vielleicht hat der eine oder andere von euch heute eher Karfreitags­stimmung als Oster­stimmung. Vielleicht bist du ganz unten, nieder­geschlagen, am Boden zuerstört. Merkst du, lauter Wörter aus der Tiefe! Aber nun ist Ostern, und dein Herr ist auf­erstanden. Und Gott ist allmächtig, ein starker Motor, der dich wieder nach oben ziehen kann. Und das will er auch tun. Das zeigt Hannas Beispiel, und das zeigt vor allen Dingen die Auf­erstehung Jesu Christi von den Toten. Gott will dich hochziehen, aufrichten, emporheben, dass du wieder obenauf bist, dass du schwebst, dass du in Hoch­stimmung kommst, dass du wieder den Überblick hast. Merkst du, lauter Wörter von der Höhe! Bitte ihn nur, vertraue ihm und habe Geduld. Und vergiss ja nicht Ostern und deinen auf­erstandenen Herrn!

Freilich muss auch noch die letzte Talsohle durch­schritten werden. Egal wieviel Hoch­stimmung Gott dir in diesem Leben noch schenkt, einmal wird er dich doch hinunter zu den Toten führen. Aber nicht, weil er dich letztlich im Stich lassen will. Nein, aus einem ganz anderen Grund – aus demselben Grund, warum er es Karfreitag werden ließ und Jesus am Kreuz das Leben nahm: weil das zu seinem Heilsplan gehört! Wir erkennen es jetzt ganz deutlich nach Ostern. Nur aus diesem Grund musst du noch einmal ganz nach unten, damit Gott dich dann endgültig nach oben ziehen kann, ganz nach oben, zu sich in den Himmel, wo der auf­erstandene Herr schon auf dich wartet.

„Der Herr tötet und macht lebendig, führt hinunter zu den Toten und wieder herauf.“ Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2006.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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