Das Schwert

Predigt über Psalm 37,14‑15 in einer Passionsandacht

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Wenn die Polizei Terroristen jagt, dann tut sie das mit besonderer Ausrüstung: Die Polizisten tragen kugel­sichere Westen und halten Maschinen­gewehre in den Händen. Wie ein höchst gefähr­licher Terrorist wurde auch Jesus gefangen genommen: Ein großer Trupp der Tempel­polizei war ausgezogen mit Schwertern, Spießen und Fackeln, um unseren Herrn fest­zunehmen. Was heute das Maschinen­gewehr ist, war damals das Schwert. Und wie heute das Maschinen­gewehr ein Symbol der Gewalt ist, so war damals das Schwert ein Symbol der Gewalt.

In unserer Zeit wird Gewalt als etwas Verwerf­liches angesehen und von vielen grund­sätzlich abgelehnt. Angesichts all der schreck­lichen Gewalt­bilder und Gewalt­berichte, die auf uns einstürmen, ist das ver­ständlich. Es ist kaum zu ertragen, wenn wir erfahren, was sich Menschen unter­einander Schreck­liches antun. Dennoch müssen wir aus Gottes Wort lernen, dass Gewalt nicht in jedem Fall böse und verwerflich ist. Es gibt auch gute und gerecht­fertigte Gewalt, die von Gott gewollt, ja sogar geboten ist. Dazu gehört die Staats­gewalt, wo sie rechtmäßig ausgeübt wird. Die Obrigkeit trägt das Schwert nicht umsonst, heißt es im Römerbrief (Römer 13,4). Sie hat Gottes Auftrag, das Böse zu rächen und auf diese Weise die Schwachen zu schützen. Gäbe es diese Staats­gewalt nicht, dann würde die Bosheit Oberhand gewinnen. Würde die Polizei grund­sätzlich auf Maschinen­gewehre verzichten, dann würde sich der Terrorismus ausbreiten wie die Pest.

Aber neben dieser guten, gott­gewollten Gewalt­ausübung ist leider die brutale Gewalt der Bösen sehr verbreitet. Das war zu allen Zeiten so, auch schon zur Zeit des Königs David. Er wurde lange unschuldig verfolgt, bevor er König sein konnte. In einem Lied hat er darüber geklagt, im 37. Psalm: „Die Gottlosen ziehen das Schwert und spannen ihren Bogen, dass sie fällen den Elenden und Armen und morden die Frommen.“ Oft scheint es so, als hätte die böse Gewalt die Oberhand, und die Frommen und Schwachen würden stets das Nachsehen haben. War es so nicht auch bei Jesus selbst? Er, der stets friedlich und demütig war, der nur Gutes getan und geholfen hat, der zu Liebe und Gewalt­losigkeit aufgerufen hat, gerade er wird hinter­listig verfolgt und schließlich mit brutaler Gewalt, mit Schwertern fest­genommen! Wo bleibt da Gottes Gerechtig­keit? Warum lässt Gott so etwas zu?

David hatte gewusst und geglaubt, dass Gott gerecht ist, und er hat es am Ende auch selbst erlebt. Wohl bemerkt, am Ende. Und diese Erfahrung gibt er im selben Psalm wieder: „Ihr Schwert wird in ihr eigenes Herz dringen und ihr Bogen wird zer­brechen.“ Gott wird die Gewalt der Bösen nicht ungestraft lassen. „Die Rache ist mein, spricht der Herr“, heißt es an anderer Stelle (Römer 12,19). Und bereits gleich nach der Sintflut kündigte Gott an, dass dessen Blut gewaltsam vergossen werden soll, der selbst Menschen­blut vergießt (1. Mose 9,6). Es ist bemerkens­wert, dass Jesus bei seiner Gefangen­nahme gerade auf dieses Bibelwort Bezug nimmt. Er sagt es aber nicht zu den Männern, die ihn gewaltsam festnehmen, sondern er sagt es zu Simon Petrus, der ihn mit dem Schwert verteiden will! Er sprach zu ihm: „Stecke dein Schwert an seinen Ort! Denn wer das Schwert nimmt, der soll durchs Schwert umkommen“ (Matth. 26,52). Gott nimmt Rache an denen, die unrecht­mäßig Gewalt üben. Und wenn er es nicht in dieser Welt tut durch die Justiz einer gerechten Obrigkeit, dann wird die Übeltäter spätestens im Jüngsten Gericht ihre Strafe ereilen. Jedem wird dann nach seinem Tun vergolten. „Auge um Auge, Zahn um Zahn,“ Leben um Leben (2. Mose 21,24) – „Wer das Schwert nimmt, der soll durchs Schwert umkommen.“ – „Ihr Schwert wird in ihr eigenes Herz dringen.“

Nun hätte Jesus das aber nicht nur zu Simon Petrus sagen können in Bezug auf seinen Gewalt­ausbruch mit dem Schwert, sondern erst recht zu der mit Schwertern bewaffneten Tempel­polizei, die ihn unschuldig gefangen nahm. Warum ließ er sich das gefallen? Warum tat er kein Wunder? Warum offenbarte er da nicht seine göttliche Macht? Warum rief er da nicht die Engel-Legion herbei, die ihn mit Leichtig­keit befreit hätte?

Wir können allgemeiner fragen: Warum zeigt Gott seine Gerechtig­keit und seine Vergeltung nicht gleich? Warum straft Gott das Böse nicht sofort und schlägt es nieder? Warum musste David viele Jahre in schwerster Verfolgung um sein Leben bangen, ständig auf der Flucht? Warum müssen heutzutage Selbstmord­attentäter un­beteiligte Menschen in den Tod reißen, darunter sogar Kinder? Warum gibt es immer noch so viele Tyrannen in der Welt und warum geht es ihnen immer noch so gut? Warum, warum, warum? Wo bleibt da Gottes Gerechtig­keit? Wo bleibt Gottes Richt­schwert, dass den Bösen ihre Schwerter der Un­gerechtig­keit aus der Hand schlägt?

Kehren wir zurück in den Garten Gethsemane und fragen wir noch einmal: Warum siegten da die Schwerter der Feinde Jesu? Wir wissen die Antwort: Weil es der Wille des himmlischen Vaters war. Weil Jesus leiden und sterben musste. Weil er er auf diese Weise die Welt erlösen sollte. Weil also auch diese Schwerter zu Gottes Heilsplan gehörten. Nur so konnte es geschehen, dass Gott eine größere und herrlichere Gerechtig­keit offenbarte als die Gerechtig­keit seiner ver­geltenden Rache. Durch das Opfer seines Sohnes hat Gott den unseligen Zusammen­hang von bösem Tun und bösem Ergehen zer­schlagen. Deshalb – und nur deshalb! – brauchen auch wir selbst nicht den Tod und das Jüngste Gericht zu fürchten. Wäre Jesus nicht den schweren Weg ans Kreuz gegangen, dann wäre Gottes Gericht das Schreck­lichste, was auf uns zukäme, denn dann würde uns alles Böse in unserem Leben auf den Kopf zu vergolten. Wir wären dann diejenigen, von denen es im Psalm heißt, dass ihr Schwert in ihr eigenes Herz dringen wird. Mit Jesus aber ist alles Böse getilgt und aus­gelöscht. Er hat sich den Schwertern und der Gewalt seiner Feinde aus­geliefert, damit wir zuletzt nicht dem Richt­schwert der Rache Gottes anheim­fallen.

Im Nachhinein erkennen wir also am Weg Jesu, dass Gott aus der bösen Gewalt seiner Feinde etwas Gutes gemacht hat: die Erlösung der Welt. Und darum können wir sicher sein, dass es auch einen guten Sinn haben wird, wenn Gott noch heute viel unrechte Gewalt und Bosheit zulässt, wenn es Terrorismus und andere schlimme Dinge gibt. Gott hat Geduld, viel Geduld, auch mit den Übelsten unter unseren Zeit­genossen. Mag sein, dass sie sich noch bekehren. Wie war das mit dem römischen Hauptmann, der mit Schwert und Gewalt Jesus zur Kreuzigung geführt hat? Er hat am Ende staunend erkannt, dass dieser Gottes Sohn war.

Gottes Wege sind wunderbar. Gottes Wege führen zum Frieden. Auch wenn wir's heute nicht sehen in unserer Welt, so wollen wir's doch glauben. Und wir können es glauben, wenn wir auf Jesus sehen. Am Ende wird durch ihn alles gut. Mit ihm sind wir unterwegs in das Land, von dem die Propheten einst weissagten, dass dort alle Schwertern zu Pflug­scharen werden. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2006.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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