Auf das Ende sehen

Predigt über Maleachi 3,13‑20a zum Sonntag Septuagesimä

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Es gibt Situationen im Leben eines Volkes, da haben alle das Gefühl: „Jetzt wird alles besser, jetzt brechen herrliche Zeiten an!“ Alle sind in Hoch­stimmung, alle finden es Wahnsinn, alle freuen sich, dass sie das erleben können. So war es bei der Öffnung der Mauer und bei der deutschen Wieder­vereini­gung. So war es etwas später auch in Südafrika, als die Apartheid, die gesetzlich verankerte Dis­kriminie­rung der Schwarzen, ein Ende fand. Und so war es vor zweieinhalb­tausend Jahren beim Volk der Juden, als ihre Gefangen­schaft in Babylonien über­raschend ein Ende fand und sie nach Jerusalem zurück­kehren durften. Ja, und dann ebbt nach einer Weile die Welle der Be­geisterung ab und Er­nüchterung macht sich breit. Man ist enttäuscht, man hatte sich mehr versprochen vom Neuanfang. Aber die Armen bleiben arm, die Rücksichts­losen bleiben rücksichts­los, die Menschen sind nicht besser als vorher; manches ist vielleicht sogar schlechter geworden. So empfinden heute viele Menschen in Deutsch­land; so empfinden auch viele Süd­afrikaner; und so empfanden viele Juden in Jerusalem einige Jahre, nachdem sie aus der Babylo­nischen Gefangen­schaft zurück­gekehrt waren.

Das war die Zeit des Propheten Maleachi. Sein Name ist Gottes Programm: Maleachi bedeutet „mein Bote“. Er war Gottes Bote in dieser Zeit der Er­nüchterung. Er nannte Sünde beim Namen, er rief zur Umkehr auf, er tröstete die Ent­täuschten. Er war der letzte Prophet in alt­testament­licher Zeit. Seine Botschaft, die wir eben als Predigttext gehört haben, steht im letzten Kapitel des Alten Testaments. Hier gibt Maleachi sehr sensibel die Stimmung der meisten Juden wieder, die nach der an­fänglichen Freude über ihre Heimkehr nach Jerusalem nun enttäuscht sind. Sie jammern, sie meckern, und sie scheuen sich auch nicht, Gott anzuklagen. Sie sagen: „Es ist umsonst, dass man Gott dient. Was nützt es, dass wir sein Gebot halten und in Buße einhergehen vor dem HERRN Zebaoth? Darum preisen wir die Verächter, denn die Gottlosen gedeihen, und die Gott versuchen, bleiben bewahrt.“

Die Armen bleiben arm, die Rücksichts­losen bleiben rücksichts­los, die Menschen sind nicht besser als vorher. Und wer ohne Skrupel lebt, der hat es scheinbar leichter als der, der mühevoll versucht, ehrlich zu bleiben und sich an Gottes Gebote zu halten. Ist das nicht schon immer eine Anfechtung für viele Fromme, und auch heute noch? Was nützt es denn, wenn der Arbeitslose bei einem Neben­verdienst ehrlich bleiben will, aber all die kom­plizierten Gesetze nicht versteht? Hat es da nicht der Gottlose viel leichter, der schwarz arbeitet, bar auf die Hand bezahlt wird und sich nicht erwischen lässt? Was nützt es denn, wenn der ernsthafte junge Christ mit viel Mühe seine Sexualität bezähmt und bis zur Ehe keusch lebt? Hat es da nicht der Gottlose viel leichter, der mit dem Strom der Zeit schwimmt, seine Sexualität nach Lust und Laune auslebt und dabei viel Spaß hat? Was nützt es denn, wenn der Gottes­dienst­besucher jeden Sonntag­morgen pünktlich zur Kirche geht, während die anderen sich gemütlich ausschlafen oder die ohnehin knapp bemessene Freizeit anderweitig nutzen?

Ja, lieber Christ, was würdest du denn antworten, wenn dich jemand fragt: „Was nützt dir dein Glaube? Was nützt es dir, wenn du versuchst, nach Gottes Willen zu leben? Christen sind doch auch nicht reicher als andere, nicht gesünder als andere, nicht fröhlicher als andere. Christen leben auch nicht länger, sie müssen sterben wie alle.“ Ja, lieber Christ, was würdest du antworten?

Wenn du keine rechte Antwort weißt, dann lerne jetzt die rechte Antwort aus Gottes Wort, aus der Botschaft des Maleachi. Und wenn du die rechte Antwort weißt, dann lass sie dir durch dieses Gotteswort bekräftigen und bestätigen. Gott spricht: „Die Gottes­fürchtigen sollen an dem Tage, den ich machen will, mein Eigentum sein, und ich will mich ihrer erbarmen, wie ein Mann sich seines Sohnes erbarmt, der ihm dient. Ihr werdet am Ende doch sehen, was für ein Unterschied ist zwischen dem Gerechten und dem Gottlosen, zwischen dem, der Gott dient, und dem, der ihm nicht dient. Denn siehe, es kommt ein Tag, der brennen soll wie ein Ofen. Da werden alle Verächter und Gottlosen Stroh sein, und der kommende Tag wird sie anzünden, spricht der HERR Zebaoth, und er wird ihnen weder Wurzel noch Zweig lassen. Euch aber, die ihr meinen Namen fürchtet, soll aufgehen die Sonne der Gerechtig­keit und Heil unter ihren Flügeln.“

Fragt dich also jemand: „Was nützt dir dein Glaube?“, dann antworte: „Das wird sich am Ende zeigen. Es mag sein, dass mein Lebensweg nicht leichter ist als der Lebensweg eines Menschen, der nicht glaubt; möglicher­weise ist mein Lebensweg sogar schwerer und schmerz­licher. Aber ich bin unterwegs zu einem wunderbaren Ziel, das der Ungläubige nicht kennt. Zwar werden wir beide sterben, und doch ist mein Sterben nicht wie sein Sterben, denn mein Sterben führt mich ganz in Gottes Nähe und in Gottes Freude, sein Sterben aber führt endgültig von Gott weg in die Finsternis. Meinem Sterben folgt das ewige Leben wie ein Sonnen­aufgang. Wie die Strahlen der Morgensonne das Land erleuchten und erwärmen, so werde ich dann zu Jesus Christus kommen, der die Sonne der Gerechtig­keit ist, und sein Heil wird mich dann ganz umschließen wie Sonnen­strahlen – denn nichts anderes ist gemeint, wenn von den Flügeln ihres Heils die Rede ist.“

Auf das Ende müssen wir achten, dann wissen wir, warum wir unseren Weg mit Gott gehen und warum wir, wenn wir uns verirren, umkehren und um Vergebung bitten. Auf das Ziel des Weges müssen wir achten. Gott macht keine Fehler, und Gott be­nachteiligt auch nicht diejenigen, die ihm vertrauen. Er sieht uns, er weiß alles, er kennt unsere Probleme und unsere Not. Ebensowenig übersieht er die Habgier, die Ungerechtig­keit und den Egoismus derer, denen sein Wille egal ist. Alles ist bei Gott auf­geschrieben und am Ende wird er sich als gerecht erweisen. So, verkündet Maleachi, so können sich die Gottes­fürchtigen trösten: „Der HERR merkt und hört es, und es wird vor ihm ein Gedenkbuch geschrieben für die, welche den HERRN fürchten und an seinen Namen gedenken.“ Freilich ist dies eine gnädige Gerechtig­keit, denn sie vergilt nicht unser Tun, sondern sie beschenkt uns wegen Christi Tun. Wir sind nicht deshalb Gottes Eigentum, weil wir das verdient haben, sondern weil Gott sich über uns erbarmt hat wie der Vater über den verlorenen Sohn. Der große Unter­schied, von dem das Wort Maleachis handelt, ist letztlich nicht ein Unterschied im Handeln, sondern ein Unterschied im Vertrauen. Und zu diesem Vertrauen gehört es auch zu sagen: „Gott, ich sehe jetzt nicht den Vorteil, den mir mein Christsein bringt; ich denke manchmal sogar, die Nicht­christen haben es leichter. Aber ich vertraue auf dein Wort, dass sich am Ende doch zeigen wird: Es hat sich gelohnt, mit Gott zu leben. Ja, am Ziel wird sich das zeigen.“

Und so leben wir getrost auf dieses Ziel zu, auf den großen Tag, den Gott bestimmt hat, den großen Tag, wo Jesus in seiner ganzen Herrlich­keit wieder­kommen wird, wo die Toten auferstehen werden, wo Gott mit der ganzen Welt ins Gericht gehen wird, und wo denen, die sein Eigentum sind, dann für immer die Sonne der Gerechtig­keit scheinen wird. Wir leben getrost auf dieses Ziel zu und dürfen darum wissen, dass um dieses Zieles willen unser Weg heute schon gesegnet ist. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2006.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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