Die Geschichte von Naamans Heilung

Predigt über 2. Könige 5,1‑14 zum 3. Sonntag nach Epiphanias

„Naamans Fleisch wurde wieder heil wie das Fleisch eines jungen Knaben, und er wurde rein.“ (2. Könige 5,14b)

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Nordöstlich von Israel liegt der Staat Syrien mit seiner Hauptstadt Damaskus. Beide Staaten haben ein etwas angespanntes Verhältnis zueinander; sie sind sich eher feindlich als freundlich gesonnen. Das war schon vor 3000 Jahren so. Damals nannte man Syrien auch Aram, und die Syrer werden in der Bibel als Aramäer bezeichnet. Schon damals war die Hauptstadt Damaskus. Israel war zu der Zeit in zwei Staaten zerteilt, und der nördliche Teil, der direkt an Syrien angrenzte, hatte Samaria als Hauptstadt. Dort regierte König Joram und dort lebte auch der berühmte Prophet Elisa; diesem hatte Gott die Vollmacht gegeben, große Wunder zu wirken.

Und nun möchte ich euch die Geschichte erzählen, deren letzten Satz ich eben vorgelesen habe. Sie beginnt in Damaskus, im Haus des syrischen Kriegs­ministers Naaman. Von einem erfolg­reichen Angriffs­krieg auf Israel hat er sich reiche Beute mit­gebracht, darunter auch, wie damals üblich, Kriegsgefangene als Sklaven. Ein hübsches und auf­gewecktes Mädchen aus Israel hat es ihm besonders angetan, und er schenkt es seiner Frau als persönliche Dienerin. Naaman sonnt sich in seinem Ruhm und Erfolg; er hat die Spitze seiner Karriere-Leiter erreicht und bekleidet den nächst­höchsten Rang unter dem König. Da wird er plötzlich krank, ein ekliger Ausschlag befällt seinen ganzen Körper, er kann sich gar nicht mehr in der Öffentlich­keit sehen lassen. Die Diagnose der Ärzte ist ver­nichtend: „Das ist Aussatz“, sagen sie, „Lepra“ – eine damals unheilbare Krankheit. Die Diagnose muss den Naaman so getroffen haben, als würde dir jemand mitteilen, du hast Krebs im fort­geschritte­nen Stadium. Naamans Frau erschrickt, Naamans Kinder er­schrecken, auch die Diener­schaft ist betroffen – einschließ­lich der jungen Israeliten im Dienst von Naamans Frau. Doch da erinnert sie sich an ihre Heimat, an Israel, an die Hauptstadt Samaria und an den berühmten Propheten Elisa, der schon vielen Menschen geholfen hat. Darum sagt sie zu ihrer Herrin: „Wenn der Herr Naaman zu dem berühmten Propheten nach Samaria kommen würde, dann könnte der ihn bestimmt gesund machen.“

Was für ein schöner und kindlicher Glaube! Gott kann alle gesund machen, und er tut es durch die Leute, die er in seinen Dienst ruft, wie eben den Elisa. Das ist für das Mädchen alles sonneklar. Und es behält diesen Glauben nicht für sich, sondern bekennt ihn freimütig und will damit sogar Leuten helfen, auf die sie eigentlich böse sein müsste. Sie hat ein goldenes Herz und will nur, dass Naaman geholfen wird, darum gibt sie diesen wertvollen Tipp – voll Vertrauen, dass Gott bzw. der berühmte Gottesmann auch in diesem Fall helfen kann.

Frau Naaman sagt's ihrem Gatten weiter, und der ist wohl so am Boden zerstört, dass er sich an jeden Hoffnungsstrohhalm klammert. Er will nach Israel, nach Samaria, um sich dort heilen zu lassen. Nun ist das allerdings bei seiner Stellung eine Staats­aktion, die nach allen Regeln der Diplomatie angegangen sein will. Wir erinnern uns: Das Verhältnis zu Israel ist äußerst gespannt. Aber mit Geschenken kann man manche Wogen glätten, und darum wird ein großer Schatz an Gold, Silber und kostbaren Textilien mit nach Israel genommen. Das Wichtigste aber trägt Naaman in seiner eigenen Tasche, als er nach Israel reist: Ein offizielles Schreiben vom aramäischen König, in dem dieser den israeli­schen Nachbar­könig Joram höflich bittet, in jeder erdenk­lichen Weise doch bitteschön bei der Heilung des syrischen Ministers behilflich zu sein.

Naaman trifft in Samaria ein, übergibt den Brief und sieht gespannt zu, wie sich König Joram die Zeilen vorlesen lässt. (Antike Könige waren meistens so vornehm, dass sie nicht selbst lasen, sondern sich alles von Gelehrten vorlesen ließen.) Naaman bemerkt mit Schrecken, wie sich die Miene des Königs von Israel zusehends ver­finstert. Als der Vorleser fertig ist, zerreißt König Joram die Kragen­einfassung seines Obergewands und gibt damit zu erkennen, dass er zutiefst bestürzt ist. Er ruft in die Runde: „Ja, bin ich denn Gott, dass ich töten und lebendig machen könnte, dass er zu mir schickt, ich solle den Mann von seinem Aussatz befreien? Merkt und seht, wie er Streit mit uns sucht!“ Die Situation ist aufs Äußerste gespannt, die Nerven liegen blank. Offen­sichtlich hat König Joram den Brief und das Anliegen Naamans total miss­verstanden. Er meint, die un­erfüllbare Bitte einer Heilung soll den Syrern einen Vorwand liefern, um Israel erneut an­zugreifen.

Solche Miss­verständ­nisse gibt es unzählige auch noch heute. Miss­verständ­nisse, die daraus entstehen, dass jemand den Wunsch eines anderen böswillig deutet, obwohl er gut gemeint war. Schlechte und negative Gedanken machen das menschliche Miteinander kaputt und können zum Krieg führen. Wir Christen sollten uns lieber darin üben, die Worte und Handlungen unserer Mitmenschen gutwillig zu deuten und auch ent­sprechend zu reden. Martin Luther hat es in der Erklärung des achten Gebots trefflich formuliert: Wir sollen von unserm Nächsten nichts Schlechtes denken und nicht über ihn lästern, „sondern ihn ent­schuldigen, Gutes von ihm reden und alles zum Besten kehren.“

Zurück zu unserer Geschichte. Zum Glück erfährt der Prophet Elisa rechtzeitig von der An­gelegenheit und kann König Joram umstimmen. „Schick den Kranken zu mir“, lässt er ausrichten, „damit er merkt, dass Gott einen Propheten in Israel hat!“ Naaman und seine Begleiter begeben sich zum Haus des Gottes­mannes und klopfen an. Naaman erwartet, dass der Prophet sich nun persönlich um ihn kümmert, dass er ihn gründlich untersucht, dass er kompli­zierte Be­schwörungen und Rituale beginnt, die den Aussatz ver­schwinden lassen. Schließlich lässt sich Naaman die Sache ja einen Haufen Geld kosten und möchte dafür auch was sehen. Zu seiner Ent­täuschung erscheint aber nur Elisas Diener in der Haustür und teilt Naaman kurz angebunden mit: „Geh zum Jordan und wasche dich siebenmal im Fluss, dann wirst du gesund.“

Naaman ist außer sich vor Wut. So eine Frechheit, denkt er. Anscheinend will mir der Prophet nicht helfen, dass er mir so eine alberne Therapie ver­schreibt. Siebenmal unter­tauchen! Im Jordan! Als ob es in Damaskus nicht auch Flüsse gibt, noch dazu mit viel besserer Wasser­qualität. Ver­drießlich macht sich Naaman auf den Heimweg. Da fasst sich einer seiner Begleiter ein Herz und redet ihm gut zu: „Lieber Herr, wenn der Prophet etwas Großes von dir verlangt hätte, hättest du es dann nicht getan, um gesund zu werden?“ Naaman brummelt: „Doch, doch, wohl schon.“ Ein anderer Diener fährt fort: „Zum Jordan ziehen und siebenmal im Fluss unter­tauchen, das ist doch nun aber nichts Großes, das ist doch eine Kleinig­keit. Es wäre keine Mühe, mal aus­zuprobie­ren, ob es hilft.“ Und ein Dritter ergänzt: „Wenn es nichts hilft, können wir ja immer noch nach Hause ziehen.“

Naaman lässt sich umstimmen. Er zieht zum Jordan und legt seine Kleidung ab. Seine Begleiter starren auf die hässlichen Geschwüre am ganzen Körper. Dann watet er ins Wasser, bis es ihm etwa zur Brust reicht. Nun taucht er unter und wieder auf. Keine Ver­änderung. Er taucht noch einmal. Wieder nichts. Ein dritter Tauchgang – seine Haut sieht immer noch so aus wie vorher. Aber nun, wo er schon einmal dabei ist, führt er die Taucherei zu Ende; Naaman hält nichts von halben Sachen. Und siehe da, nach dem siebenten Unter­tauchen, da trauen alle ihren Augen nicht, und er selbst ist auch total verblüfft: Nicht nur, dass plötzlich alle Geschwüre weg sind, nein, seine Haut sieht völlig makellos aus wie schon lange nicht mehr; sein Körper ist schön und faltenfrei wie der eines jungen Mannes.

Wie die Geschichte weitergeht, das will ich jetzt nicht erzählen. Wen es inter­essiert, der kann es zu Hause selbst nachlesen, im zweiten Buch der Könige im fünften Kapitel. Ich möchte euch an dieser Stelle nur dazu auffordern, Gott für diese wunderbare Heilung zu danken, ihn zu loben und preisen. Denn das, was dem Naaman da widerfahren ist, das ist euch auch wider­fahren. Wie Naaman durch das Jordan­wasser vom Aussatz geheilt wurde, so sind wir durch das Taufwasser von unserer Sünden­schuld geheilt worden. Die Sünden­schuld ist sogar eine noch viel schlimmere Krankheit als Lepra oder Krebs. An Lepra oder Krebs kann unser Leib sterben, aber die Seele kann nicht daran sterben. Die Sünden­schuld aber führt zum Verderben von Leib und Seele, und das in alle Ewigkeit! Ja, mit der Sünden­schuld hat Gott unsere schlimmste Krankheit geheilt. Weil unsere Schuld vergeben ist, haben wir Frieden mit Gott durch Jesus Christus, und wir dürfen darauf vertrauen, dass durch dieses Heilungs­wunder früher oder später auch alles andere in unserem Leben in Ordnung kommt. Ja, Gott will alles heil machen: Leib und Seele und gestörte Beziehungen zum Mitmenschen und wirtschaft­liche Probleme und sogar den Tod. Denn wir werden auf­erstehen, wie Jesus auf­erstanden ist und wie Naaman mit einem rund­erneuerten Leib aus den Fluten des Jordans auf­erstanden ist!

Und das Beste: Gott schenkt uns das alles frei und umsonst. Elisa wollte den Schatz des Naaman gar nicht haben. Und auch Gott lässt sich seine Erlösung nicht bezahlen, weder durch Geld noch durch gute Werke. Zum Zeichen dafür gibt es in unserer Kirche auch keine Mitglieds­gebühren und keine Tarife für Taufe, Abendmahl und andere Handlungen. Alles ist frei und umsonst – die Gemeinde­glieder sind lediglich gebeten, mit einem frei­willigen Dankopfer dazu bei­zutragen, dass die Arbeit der Kirche weitergehen kann, damit viele den Erlöser Jesus Christus kennen­lernen und durch ihn von ihrer schlimmsten Krankheit geheilt werden, von der Sünden­schuld.

Wir beten mit Psalm 103: „Lobe den HERRN, meine Seele, und was in mir ist seinen heiligen Namen. Lobe den HERRN, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat: der dir alle deine Sünden vergibt und heilet alle deine Gebrechen, der dein Leben vom Verderben erlöst, der dich krönet mit Gnade und Barmherzig­keit, der deinen Mund fröhlich macht und du wieder jung wirst wie ein Adler.“ Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2006.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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