Was ist mit mir los?

Predigt über Galater 5,16‑24 zum 14. Sonntag nach Trinitatis

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Vielleicht geht es euch ebenso wie mir: Manchmal verstehe ich mich selbst nicht. Ich verstehe nicht, warum ich bin, wie ich bin, obwohl ich doch eigentlich anders sein will. Ich verstehe nicht, warum ich etwas, das ich tun will, doch immer wieder hinaus­zögere und am Ende vielleicht überhaupt nicht tue. Ich verstehe nicht, warum ich mich auf Dinge einlasse, von denen ich doch eigentlich lieber die Finger lassen sollte. „Eigent­lich“ – das ist das quälende Wörtchen bei solchen Gedanken. Und dann frage ich mich: Was ist mit mir los, was geht in mir vor?

Auch dem Apostel Paulus sind solche Grübeleien nicht fremd, und er weiß, dass es jedem Christen so geht. „Ihr tut nicht, was ihr wollt“, schrieb er im Galater­brief. Der Heilige Geist hat ihm aber auch gezeigt, welche Ursachen das Problem hat und wie es überwunden werden kann. Das hat er ebenfalls für die Galater und alle Christen auf­geschrie­ben: „Das Fleisch begehrt auf gegen den Geist und der Geist gegen das Fleisch; die sind gegen­einander, sodass ihr nicht tut, was ihr wollt.“ – „Lebt im Geist, so werdet ihr die Begierden des Fleisches nicht voll­bringen.“ Wenn wir diese Worte gründlich bedenken, dann werden wir besser verstehen, was mit uns los ist; dann werden wir uns selbst ein Stück besser kennen­lernen.

„Fleisch“ und „Geist“ sind die beiden wichtigsten Wörter in unserem Bibeltext. Sie begegnen uns auch in dem berühmten Jesus-Wort: „Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach“ (Matth. 26,41). Dieses Wort stellt übrigens etwa dasselbe fest, was Paulus fest­gestellt hat und was wir bei uns selbst fest­stellen.

Die biblische Bedeutung des Wortes „Fleisch“ entspricht nun freilich nicht dem heutigen Sprach­gebrauch. In der Bibel bezeichnet „Fleisch“ den mensch­lichen Körper mit all seinen natürlichen Bedürf­nissen und Trieben. Der Mensch muss essen und trinken, daher sein Bedürfnis nach Genuss. Der Mensch behauptet sich gegen andere und wehrt sich gegen Feinde, daher sein Bedürfnis nach Macht. Der Mensch will sich fort­pflanzen, daher sein Bedürfnis nach Sex. Genuss, Macht und Sexualität – dies sind nach biblischem Verständnis „fleisch­liche Geschäfte“, natürliche menschliche Triebe. An sich sind sie keineswegs schlecht, sondern gute Gaben des Schöpfers, die zur Erhaltung und Fort­pflanzung der Menschen dienen.

Durch die Sünde, die in die Welt gekommen ist, wird das menschliche Fleisch freilich zum Einfallstor des Bösen. Der Teufel benutzt die fleisch­lichen Triebe gewisser­maßen wie eine Fern­steuerung, mit der er uns zu seinen Sklaven machen kann. Das Heim­tückische daran: Der Mensch merkt gar nicht, wie er fern­gesteuert wird, sondern bildet sich ein, dass er in freier Selbst­bestimmung handelt. Was dabei heraus­kommt, das nennt der Apostel Paulus „die Werke des Fleisches“. Aus dem natürlichen Genuss-Trieb wird dann „Saufen und Fressen“, also übermäßiger Genuss, der dem Körper nicht mehr nützt, sondern ihm im Gegenteil schadet. Aus dem natürlichen Machttrieb wird dann „Feind­schaft, Hader, Eifersucht, Zorn, Zank, Zwietracht und Spaltung“, kurzum alles, was das zwischen­menschliche Miteinander zunächst belastet, dann schädigt und schließlich kaputt macht. Und aus dem natürlichen Sexualtrieb wird dann „Unzucht und Un­reinheit“. Das wunderbare Gottes­geschenk der Sexualität, das Gott uns Menschen für die lebenslange Ehe geschenkt und mit dem Kinder-Kriegen verbunden hat, wird vom Teufel benutzt, dass Menschen es eigen­süchtig und ohne Ver­antwortung für den jeweiligen Partner benutzen, auch ohne Ehe und außerhalb der Ehe, und schließlich auch in allerhand gräulichen Per­versionen, die heutzutage obendrein von den Medien schamlos ans Licht gezerrt werden.

Derart vom Teufel fern­gesteuert, kann „Fleisch“ in der Bibel auch „Sünd­haftigkeit“ bedeuten, und damit verbunden „Verderben“ und „Tod“. Denn wer über die Begierden des Fleisches zum Sünder wird, der hat vor dem heiligen Gott sein Recht zu leben verwirkt; Gottes Gesetz verkündet es so. Und der Apostel Paulus bestätigt in unserem Predigttext knallhart: „Die solches tun, werden das Reich Gottes nicht erben.“

Kommen wir nun zu unserer Selbst­erkenntnis zurück. Wir erkennen nun, warum wir so oft nicht das tun, was wir eigentlich wollen: Der Teufel funkt dazwischen über die Begierden unseres Fleisches. Ich bin überzeugt davon, dass jeder von uns mit Ver­suchungen zu kämpfen hat in mindestens einem dieser drei Bereiche von Genuss, Macht und Sexualität. Und wenn wir ihnen erliegen (ohne es eigentlich zu wollen), dann stellen wir erschrocken fest: Ich habe in Gottes Reich nichts zu suchen; ich habe vor Gott mein Recht auf Leben verwirkt, weil ich ein Sünder bin.

Dieses Erschrecken ist heilsam, denn es hat mit Gottes­furcht zu tun. Ohne Gottes­furcht bleibt ein Mensch dem Teufel hoffnungs­los verfallen; er meint, er habe sein Leben in der Hand, aber in Wirklich­keit wird er über die Fleisches­begierden in den Bereichen Genuss, Macht und Sex vom Teufel fern­gesteuert. Mit Gottes­furcht schlägt das Gewissen, die Reue stellt sich ein, und wir suchen Zuflucht bei Gott. Wir suchen nicht nur, sondern wir finden auch. Diese Zuflucht nennt der Apostel Paulus „Geist“. Es ist der Heilige Geist, der seit der Taufe in uns wohnt. Er zeigt uns, was Gottes Wille ist, was gut und richtig ist, was wir eigentlich tun sollen und wie wir eigentlich leben sollen. Und wenn wir dabei immer wieder auf unsere Sünde stoßen und auf unser Versagen, dann tröstet uns der Heilige Geist. Er tröstet uns mit dem Evangelium. Er tröstet uns mit dem Kreuz Christi. Er zeigt uns, dass Christus die Schuld unserer Sünde bei Gott längst beglichen hat und wir um seinet­willen leben dürfen, ewig leben, in Gottes Reich leben.

Eben diese Zuversicht ist es, die uns hilft, die Begierden des Fleisches zu kon­trollieren. Aus eigener Kraft schaffen wir es nicht; nur der Geist Christi kann es tun durch das Evangelium. Darum fordert uns der Apostel Paulus auf, dieses Evangelium nicht als eine erfreuliche und tröstliche Rand­erscheinung unseres Lebens anzusehen, sondern uns ganz davon durch­dringen zu lassen. Er schreibt: „Die Christus Jesus angehören, haben ihr Fleisch gekreuzigt samt den Leiden­schaften und Begierden.“ Und: „Lebt im Geist, so werdt ihr die Begierden des Fleisches nicht voll­bringen.“ Hier ist der Ausweg für unser Problem: Immer auf Christus und sein Kreuz schauen, immer seine Liebe vor Augen haben! Dann wird die Fern­steuerung des Teufels aus­geschaltet, und wir werden fähig, unsere mensch­lichen Bedürfnisse und Triebe in heiliger Weise zu leben. Was dabei heraus­kommt, nennt Paulus „Frucht des Geistes“. Genuss führt dann wieder zu wirklicher Freude. Macht führt zu Friede, Geduld, Freundlich­keit und Güte. Die Sexualität wird in Verbindung mit Liebe und Treue in der Ehe geadelt, außerhalb der Ehe aber in Keuschheit beherrscht.

Kurz: Wer an Jesus Christus glaubt und damit im Geist lebt, der lernt, als vollendeter Mensch zu leben – so, wie Gott ihn ur­sprünglich gemeint hat. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2005.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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