Die Pfingstweissagung

Predigt über Joel 3,1‑5 zum Pfingstmontag

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Was der Prophet Joel hier im Namen Gottes voraus­gesagt hat, das hat der Apostel Petrus zu Pfingsten in Jerusalem wiederholt und hat dazu gesagt: „Genau das geschieht jetzt; heute beginnt Gott, diese Weissagung zu erfüllen.“ Was genau sich da aber erfüllte, was da eigentlich geschah, das ist gar nicht so leicht zu verstehen. Darum wollen wir Joels Pfingst­weissagung jetzt einmal ausführlich betrachten.

„Nach diesem“, beginnt das Wort. Petrus sagte: „In den letzten Tage.“ Es gibt im Alten Testament viele Weis­sagungen von den „letzten Tagen“. Damit ist der letzte Abschnitt der Welt­geschichte gemeint im Zusammen­hang mit Gottes Heilsplan für die Welt. Es geht um den Zeit­abschnitt zwischen Jesu Erdenleben und dem Jüngsten Tag, wenn Jesus wieder­kommt. Auch unsere Tage, auch der heutige Tag gehören zu diesen „letzten Tagen“. Es ist die Zeit des neuen Bundes. Es ist die Zeit der christ­lichen Kirche. Und darum gilt das, was Gott damals durch den Propheten Joel für die Zukunft voraus­sagte, für uns jetzt heute, für unsere Gegenwart.

„Ich will meinen Geist ausgießen über alles Fleisch“, hatte Gott an­gekündigt. Zu Joels Zeit war der Heilige Geist ganz wenigen besonderen Menschen vor­behalten: Königen, Priestern und Propheten, die ihn durch Salbung empfingen, und das auch nur im Volk Israel, nicht bei den anderen Völkern. Die „letzten Tage“ des neuen Testaments und der Kirche Jesu Christi bringen den Geist für „alles Fleisch“, alle Völker, alle Menschen­gruppen: Männer und Frauen, Junge und Alte. „Eure Söhne und Töchter sollen weissagen, eure Alten sollen Träume haben und eure Jünglinge sollen Gesichte sehen. Auch will ich zur selben Zeit über Knechte und Mägde meinen Geist ausgießen.“ Alle, die ihr Herz nicht vor Gott ver­schließen, bekommen es gefüllt mit dem Heiligen Geist. Auch wir haben ihn empfangen, seit unserer Taufe. Auch an dir und mir hat Gott seine wunderbare Pfingst­prophezei­ung erfüllt, wie damals an den Aposteln und den dreitausend Menschen, die beim ersten Pfingstfest getauft wurden.

Wo aber sind unsere Träume? Und wo sind unsere Weis­sagungen? Wo sind diese Aus­wirkungen des Geistes? Wir dürfen uns nicht durch diese eigen­tümlichen alten Sprach­formen irritieren lassen, die die Propheten damals ge­brauchten. Die „Träume und Gesichte“ sind nicht irgend­welche mensch­lichen Ein­bildungen oder Regungen des Unter­bewusst­seins. Es muss sich auch nicht unbedingt um Visionen und über­sinnliche Wahr­nehmungen handeln. Die Träume und Visionen stehen hier einfach als Beispiel für jede Form von Gottes­offenbarung und Gottes­erkenntnis, die einem Menschen geschenkt wird. Gott hat allen von uns solche Gottes­erkenntnis geschenkt im Glauben an Jesus Christus. Dass er der Gottessohn ist, dass er uns erlöst hat und ewiges Leben schenkt, das ist die wichtigste Einsicht, die Gott uns durch den Heiligen Geist gegeben hat; dass ist unser „Traum“ und unser „Gesicht“. Und mit den „Weis­sagungen“ ist jede Form des Bekennens gemeint. Solches Bekennen geschieht immer dann, wenn ein Christ seinem geist­gewirkten Glauben Ausdruck verleiht, andere damit tröstet und Christus als seinen Herrn bekennt. In diesen „letzten Tagen“, in der Zeit des neuen Bundes, sind also nicht nur Profis zur Gottes­erkenntnis und zur Verkündi­gung befähigt und berufen, sondern jeder einzelne Christ, gleich ob jung oder alt, ob Mann oder Frau. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass es für die öffentliche Wort­verkündi­gung in der Kirche das Amt des Pastors gibt. Die Glaubens­erkenntnis und das Lebens­zeugnis dieses Glaubens kann kein Pastor stell­vertretend für seine Gemeinde haben, dazu ist jedes Gemeinde­glied auf­gefordert.

Nun kommen schwere und schwierige Worte in der Pfingst­weissagung: „Ich will Wunder­zeichen geben am Himmel und auf Erden: Blut, Feuer und Rauchdampf. Die Sonne soll in Finsternis und der Mond in Blut verwandelt werden, ehe denn der große und schreck­liche Tag des Herrn kommt.“ Der „große und schreck­liche Tag“ ist der Jüngste Tag, wo unser Herr wieder­kommen und Gericht halten wird über Lebende und Tote. Was aber sind das für Zeichen, die Gott zuvor gibt – also jetzt, in unserer Zeit, in diesen „letzten Tagen“? Es sind schreck­liche Dinge, es hat mit Blut, Feuer und riesigen Rauchwolken zu tun, die hoch in den Himmel aufsteigen und sich wie ein Schleier vor Sonne und Mond schieben. Die gewaltige Explosion einer Autobombe im Irak oder in Israel gehört zu diesen schreck­lichen Zeichen: Ein Feuerball, eine riesige schwarze Rauchsäule, überall Blut, überall Tote und Verletzte. Es geht also um die vielen schlimmen Ereignisse in dieser Welt, solche und auch ganz anders­artige, die uns erschrecken und nach Gott fragen lassen. Es sind Zeichen von mensch­licher Schuld und Sünde, Zeichen von Gottes Zorn und Vor-Zeichen des „großen und schreck­lichen Tages“, an dem Gott jeden Menschen zur Rechen­schaft ziehen wird. Der Heilige Geist erweckt mit diesen Zeichen in uns die Frage: Wie kann ich als Sünder bestehen vor dem lebendigen Gott?

Der nächste Satz der Weissagung enthält Gottes Antwort: „Und es soll geschehen: Wer des HERRN Namen anrufen wird, der soll errettet werden.“ Was damit gemeint ist, hat Petrus seiner Pfingst­gemeinde dann ausführlich erklärt, und alle aposto­lische Verkündi­gung bezeugt es, das ganze Neue Testament: Jesus Christus ist der Herr, dessen Name angerufen werden muss. Der ist für unsere Sünden gestorben. Gott hat ihn von den Toten auferweckt und ihm alle Vollmacht im Himmel und auf Erden übertragen. Wer getauft wird und an ihn glaubt, der wird in Gottes Gericht gerettet, der wird in den Himmel kommen und dort ewig leben. „Den Namen des Herrn anrufen“ heißt also nichts anders als Jesus Christus um Hilfe und Errettung bitten und darauf vertrauen, dass er diese Hilfe auch schenkt durch die Vergebung der Sünden. Das ist das Wichtigste, das ist das Ent­scheidende, nur so werden wir selig. Und diese wunderbare Erkenntnis, diesen wunderbaren Glauben schenkt uns der Heilige Geist, den Gott seit Pfingsten über alles Fleisch ausgießt, über Menschen aus allen Völkern der Erde, die ihr Herz nicht ver­schließen. Uns selbst gibt Gott heute durch dieses Wort seine Garantie: Du wirst gerettet – aus allem Schrecken dieser Welt und aus dem Schrecken des Todes. Du wirst aus dem Verderben deiner Sünde gerettet und aus der Verdammnis des Jüngsten Gerichts. Vertraue nur Jesus! Rufe nur seinen Namen an! Lass dir diese Erkenntnis immer wieder neu ins Herz geben durch den Heiligen Geist, und dann bekenne und bezeuge sie auch anderen!

Die Pfingst­weissagung des Propheten Joel gibt dieser Rettung durch den Glauben an Jesus noch einen bestimmten Ort. Es heißt da am Ende: „Auf dem Berge Zion und zu Jerusalem wird Errettung sein, wie der HERR verheißen hat, und bei den Ent­ronnenen, die der Herr berufen wird.“ Zion und Jerusalem – das war der Ort des Tempels, wo Gott zur Zeit des alten Bundes für das Volk Israel gnädig gegenwärtig war. Zion und Jerusalem – das war dann aber auch der Ort, wo der neue Bund begann: Hier starb Jesus, hier erstand er von den Toten, hier zeigte er sich als der Lebendige, hier fuhr er in den Himmel, hier sandte er zu Pfingsten den Heiligen Geist. Zion und Jerusalem – das ist zugleich ein Sinnbild für Gottes Volk des alten und des neuen Bundes, also auch für die Kirche, für die christliche Gemeinde. Und so haben wir heute hier in unserem Gotteshaus auch dieses Zion und Jerusalem gegen­wärtig. An diesem Altar ist Gott gnädig für uns anwesend, wie damals im Jerusalemer Tempel im Heiligtum. Hier und überall, wo sein Wort verkündigt und sein Sakrament ausgeteilt wird; hier und überall, wo zwei oder drei in Jesu Namen versammelt sind.

Darum, wenn wir heute Pfingsten und den Geburtstag der Kirche feiern, dann ist das nicht nur ein Gedenken an das erste Pfingstfest und die Predigt des Petrus, sondern dann geschieht das Pfingst­wunder wieder neu, dann erfüllt sich wieder neu die Verheißung Gottes, die er durch Joel schon von alters gegeben hat: „Ich will meinen Geist ausgießen über alles Fleisch.“ Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2005.

Autor: Pastor Matthias Krieser

SOLI DEO GLORIA!

PREDIGTKASTEN

►  Startseite

►  Impressum