Woran soll man beim Abendmahl denken?

Predigt über Matthäus 26,20‑30 zum Gründonnerstag

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Zu meinen ersten Kindheits­erinnerun­gen vom Gottes­dienst gehört dies: Bei der Abendmahls­liturgie, wenn der Pastor die Einsetzungs­worte sang, knieten wir alle in der Kirchen­bank, und ich hielt meine Augen fest ge­schlossen. Da spürte ich dann stets ganz deutlich, wie der Herr Jesus selbst durch die Bankreihen ging und jeden einzelnen von uns segnete. Später, als ich konfirmiert war, hatte ich diese Vorstellung nicht mehr. Vielmehr be­schäftigte ich mich mit der Frage: Was soll ich denken, wenn ich den Leib und das Blut Jesu empfange? Welche Vorstellung soll ich da haben?

Was denkst du, wenn du das Heilige Abendmahl empfängst? Natürlich sollten wir an nichts denken, was uns vom Sakrament ablenkt, an die Kleidung der anderen Gemeinde­glieder zum Beispiel oder an das Nachmittags-Fernseh­programm oder an die voraus­sichtliche Dauer des Gottes­dienstes. Aber woran denkst du? Woran sollte ein Christ denken? Sollten wir daran denken, wie Jesus einst das Abendmahl mit seinen Jüngern feierte? Sollten wir daran denken, wie am Kreuz sein Blut vergossen und sein Leib in den Tod dahin­gegeben wurde? Sollten wir uns intensiv vorstellen, dass die Brothostie ein Stück vom Leib Jesu ist und der Schluck Wein etwas von seinem Blut? Sollten wir in Vorfreude daran denken, dass wir einst beim himmlischen Festmahl mit Jesus zu Tisch sitzen werden?

Ich will euch jetzt keine direkte Antwort geben, denn ich kann euch ja nicht vor­schreiben, was ihr denken sollt. Stattdessen will ich euch an den Ursprung des Heiligen Abendmahls zurück­führen. Von daher, so hoffe ich, wird sich eine gute Antwort von selbst einstellen.

Am Abend des Grün­donners­tags, in der Nacht, als Jesus verraten wurde, am Vorabend seines Todes, geschah ungeheuer viel. Die Stadt Jerusalem wimmelte von Menschen, die sich alle auf das Passafest vor­bereiteten, das höchste Fest im jüdischen Kirchen­jahr. Jesus sandte zwei Jünger aus mit den Auftrag, einen geeigneten Raum für ihr Passa-Festmahl zu finden und vor­zubereiten. Dann war es soweit: Jesus begab sich mit den zwölf Jüngern dorthin und feierte Passa mit dem traditio­nellen festlichen Essen. Bei diesem Essen geschah es, dass er seinen Jüngern die Füße wusch. Bei diesen Essen wurde der Verräter Judas entlarvt und lief davon. Bei diesem Essen setzte Jesus das Heilige Abendmahl ein. Bei diesem Essen lehrte er seine Jünger vieles in den sogenannten Abschieds­reden. Er betete auch und zog sich dann in den Park mit den alten Oliven­bäumen am Bach Kidron zurück, in den sogenannten Garten Gethsemane, wo er noch in derselben Nacht verraten und fest­genommen wurde.

Aber im Mittelpunkt dieses Tages stand das Festmahl, im Mittelpunkt des Festmahls stand die Einsetzung des Heiligen Abendmahls, um im Mittelpunkt der Einsetzung des heiligen Abendmahls steht das Wörtchen „Bund“, oder auch „neuer Bund“, oder „neues Testament“. Christus sagte, als er den Becher mit Wein herum­reichte: „Das ist mein Blut des Bundes, mein Blut des neuen Testa­ments.“ Damit wurde dieses Essen zum Bundesmahl, das den neuen Bund Gottes mit allen Menschen besiegelte.

Auch der alte Bund war mit einem Bundesmahl besiegelt worden. Es geschah zu der Zeit, als Gott das Volk Israel aus der ägyptischen Sklaverei befreite und das Passafest einsetzte. Am Berg Sinai verkündete Gott kurze Zeit später feierlich sein Gesetz und wählte sich Israel zum Bundesvolk. Dann erschien er in seiner Herrlich­keit vor Mose und siebzig Vertretern des Volkes. Darauf aßen und tranken sie bei einem Festessen – das war das Bundesmahl des alten Testaments (2. Mose 24,9‑11).

Gottes alter Bund war also auf das Volk Israel beschränkt gewesen, und er stand überdies unter einer harten Bedingung: Israel musste durch Gesetzes­gehorsam seine Treue beweisen, sonst würde Gott sie aus diesem Bund verstoßen. So ist es auch wirklich gekommen, das lehren uns die Geschichten des Alten Testaments: Durch wieder­holten schweren Ungehorsam und Götzen­dienst hat Israel den alten Bund verlassen und verspielt.

Aber für alle, die ihre Sünden bereuten und sich nach Gottes Nähe sehnten, schuf Gott den neuen Bund – diesmal nicht nur für Israel, sondern für alle Völker der Erde. Dieser Bund ist kein Gesetzes­bund mehr, sondern ein Gnadenbund: Es gilt nicht mehr die Bedingung des Gesetzes­gehorsams, sondern es gilt allein Gottes großes Gnaden­geschenk in seinem Sohn Jesus Christus, die Vergebung der Sünden durch sein Blut und seinen Tod. Dies alles wurde feierlich besiegelt und bestätigt am Grün­donnerstag, als Jesus das Heilige Abendmahl einsetzte. Wieder war Gott selbst sichtbar gegen­wärtig, nämlich in der Menschen­gestalt seines Sohnes Jesus Christus. Wieder vertraten einige Auserwählte das Bundesvolk: Die Jünger ware gegenwärtig als Stell­vertreter des neuen Gottes­volkes aus allen Völkern. Und Jesus verkündete die Gnade Gottes, die Vergebung der Sünden durch sein Blut und durch die Hingabe seines Leibes, wie es dann am Tag darauf auf Golgatha geschah. „Das ist mein Leib. Das ist mein Blut des Bundes, das vergossen wird für viele zur Vergebung der Sünden.“

Nun wissen wir, dass dieses neu­testament­liche Bundesmahl kein einmaliges Ereignis bleiben sollte. Jesus trug seinen Jüngern vielmehr auf: „Tut solches zu meinem Gedächt­nis!“ Und er selbst sorgt dafür, dass dieses Mahl auch heute noch Gottes neuen Bund bei uns besiegelt und bekräftigt. Er selbst ist dabei unter uns gegenwärtig in einer ganz besonderen Weise, die noch über seine alltägliche Gegewart im Geist hinausgeht. Wir haben sein Wort, dass er im Brot mit seinem eigenen Leib gegenwärtig ist und in uns eingeht bei diesem Mahl. Wir haben sein Wort, dass er im Wein mit seinem Blut gegenwärtig ist und in uns eingeht bei diesem Mahl. Weil das so ist, wollen wir mit den Elementen des Abendmahls auch nicht ex­perimen­tieren; wir bleiben beim un­gesäuerten Brot, gebacken aus Mehl und Wasser; wir bleiben beim Wein, aus Trauben gekeltert, und lassen nicht einmal Traubensaft als Alternative zu. Wir wollen die gleichen Elemente verwenden, die Jesus damals bei der Einsetzung des Abendmahls mit seinen Jüngern verwendete.

„Tut solches zu meinem Gedächt­nis!“, gebot Jesus. Diesem Gebot wollen wir oft und gern nachkommen, wie es die Christen­heit in all den Jahr­hunderten seither getan hat. Oft und gern wollen wir Abendmahls­gottes­dienste feiern, und es ist gut, wenn auch jedes einzelne Gemeinde­glied oft und gern dieser Einladung nachkommt.

„Zu seinem Gedächtnis“ sollen wir es feiern, sollen also beim Abendmahl zuallererst an ihn denken, unsern lieben Herrn und Heiland, der sich selbst für uns in den Tod gegeben und damit den neuen Bund gestiftet hat, den Gnadenbund zur Vergebung der Sünden. Da erkenne ich, dass meine kindliche Vorstellung bei der Abendmahls­feier eigentlich gar nicht so verkehrt war: Jesus geht persönlich durch die Reihen und segnet jeden einzelnen. Alle Gedanken, die wir auf Jesus und den neuen Bund richten, helfen uns zum würdigen Abendmahls­empfang: Wenn wir daran denken, wie er es damals für seine Jünger eingsetzt hat. Wenn wir daran denken, dass er auf Golgatha sein Blut für uns vergossen und seinen Leib für uns dahin­gegeben hat. Wenn wir uns uns bewusst machen, dass er kraft seines Wortes jetzt persönlich gegewärtig ist mit seinem Leib und Blut im Bundesmahl, dass er persönlich in uns eingeht. Wenn wir bedenken, dass wir dadurch zu einer wunderbaren Ge­schwister­schaft verbunden werden, zu Gottes neuem Bundesvolk, das uns mit Christen aus allen Völkern zu einem Leibe eint. Und schließ­lich, wenn wir uns auf das Festmahl im Himmel freuen, das Bundesmahl, bei dem wir dann den Herrn auch wirklich sehen werden, dazu die lieben Engel und die Apostel und die große Christen­schar aus vielen Völkern und Jahr­hunderten. So hat er es ja versprochen – schon damals, als er das Heilige Abendmahl einsetzte. Er sagte: „Ich werde von nun an nicht mehr von diesem Gewächs des Weinstocks trinken bis an den Tag, an dem ich von neuem davon trinken werde mit euch in meines Vaters Reich.“ Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2005.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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